: Statt massivem Polizeischutz
Eine bundesweite Premiere: Die Online-Video-Durchsuchung im Mehringhof
Für die Bundesanwaltschaft (BAW) in Karlsruhe war es eine Premiere – und wer Sicherheitsexperten fragt, ob es das schon einmal in Deutschland gegeben habe, erhält die Antwort: „Meines Wissens nicht.“ Bei der Durchsuchung des Kreuzberger Szeneprojekts Mehringhof nahm die Polizei gestern Räume des Gebäudekomplexes per Video auf und übertrug die Daten online an den Hauptbelastungszeugen, der die Polizeifilmer per Kopfhörer lenkte.
So neu ist diese Technik, dass die BAW-Pressesprecherin Frauke Schulten keinen Namen für diese Ermittlungsmethode hat. Es sei eben eine „Lenkung der Durchsuchungskräfte“ durch „einen Dritten“. Diese Lenkung werde aus Gründen der „Vereinfachung und Praktikabilität“ eingesetzt. Die Aufnahmen dienten als „interne Arbeitsgrundlage“ für die Polizei. Deshalb müssten sie im Unterschied zu anderen Polizeidaten auch nicht nach einer gewissen Zeit gelöscht werden. Rechtlich gesehen, so Schulten, sei diese Art von Durchsuchung nichts Besonderes. Vor zwanzig Jahren habe man diese Art von Computertechnik eben noch nicht gehabt.
Ganz so problemlos sieht das Norbert Pütter nicht. Pütter ist Mitarbeiter des polizeikritischen Magazin „Cilip. Bürgerrechte und Polizei“, das unter dem Dach der Politologen der Freien Universität produziert wird. Seiner Ansicht nach ist diese Durchsuchungsmethode „auf jeden Fall bedenklich“. Immerhin könnten Daten gesammelt werden, die mit dem Ziel der Ermittlung nichts zu tun hätten. Da aber die Gesetze mittlerweile der Polizei bei ihrem Vorgehen solch einen Spielraum erlaubten, sei die Durchsuchung per Videotechnik und Online-Schaltung rechtlich wohl nicht zu beanstanden. Allerdings seien die Gesetze sehr weit gefasst – und das sei zu kritisieren.
Der Fraktionschef und Sicherheitsexperte der Bündnisgrünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Wolfgang Wieland, sieht in in dieser Methode so lange keine rechtlichen Probleme, wie nur Gebäude gefilmt würden. Offenbar solle mit Hilfe dieser Technik vermieden werden, dass der Kronzeuge Tarek M. beim „Ausführen“ vor Ort aufwendig geschützt werden muss. Tarek M. gilt als gefährdet; im Mehringhof dürften viele nicht gut auf ihn zu sprechen sein.
Wenn keine Personen aufgenommen würden, sei in dieser Methode keine neue, schreckliche Polizeimethode zu sehen. Es zeige bloß, so Wieland: Die moderne Technik mache selbst vor der Polizei nicht Halt.
PHILIPP GESSLER
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