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Zwitterleuchten aus Skulptur und Funktion

Von der Idee über die Montage bis zum Verkauf alles unter einem Dach: Der Lampenhersteller MawaDesign arbeitet wie die gute alte Manufaktur

von MICHAEL KASISKE

„7. Hof auf der rechten Seite“ wird einem der Weg in den „Palmhof“ gewiesen. Dieser Hinweis reicht freilich aus: MawaDesign ist im Flecken Langerwisch bei Potsdam ansässig. Auf einem typisch brandenburgischen Anwesen mit hell geputztem Wohnhaus und Stallgebäuden aus rotem Backstein trifft man an einem heiteren Tag die Belegschaft beim mittäglichen Imbiss unter einem großen Sonnenschirm. Hier würde man vielleicht Holzwerkstätten vermuten, doch die gradlinige Mawa-Kollektion aus Leuchtkörpern und Accessoires besteht aus industriell vorgefertigtem Material.

„Wir sind eine Manufaktur“, erklärt die Designerin Kathrin Strahl. Eine Produktionsweise aus der Zeit zwischen Handwerk und Fließbandfertigung ist also Hintergrund der ländlichen Einheit. „Alles geschieht hier unter einem Dach“, ergänzt Strahl und zählt auf: „Konzeption, Entwurf, Herstellung des Prototyps, Serienproduktion und Vertrieb.“ Was bei der Gründung von MawaDesign Licht- und Wohnideen 1977 als Ein-Mann-Betrieb zwangsläufig war, nämlich den gesamten Prozess von der Idee bis zum Verkauf in der Hand zu haben, behielt der Inhaber Martin Wallroth trotz Expansion bei. Bekannt wurde er mit eigenen Entwürfen, seit den 90er-Jahren auch mit Re-Editionen von ungewöhnlichen Objekten, deren Produktion eingestellt worden war.

Zwei Highlights des Programms stehen exemplarisch für die beiden Gruppierungen der Berliner Architekturszene in der Nachkriegszeit, nämlich die „organischen Funktionalisten“, als deren prominentester Vertreter der Architekt der Philharmonie, Hans Scharoun, gilt; und die „geometrischen Funktionalisten“, für die Paul Baumgarten mit seinem Konzertsaal der HdK genannt werden könnte.

Die Leuchte „Ssymmank“ entstanden 1959, ist ein Zwitter aus kalkulierter Funktion und Skulptur. Ihr Designer, der „organische Funktionalist“ Günter Ssymmank, ist eine Doppelbegabung: Neben seinem Studium der Architektur und des Maschinenbaus war er Meisterschüler bei dem Bildhauer Gustav Seitz; Ende der 50er-Jahre erlangte er Bekanntheit mit einer Reihe gewagt konstruierter Treppen. Seine Stehlampe, die MawaDesign seit einem Jahr im Programm hat, gerät bei Erschütterungen in ein leichtes Wippen, da ihr gelenkiger Ständer in einem spiralförmigen Fuß mündet. Der Lampenschirm besteht aus einzelnen farbigen Segmenten, die sich wie eine Blüte öffnen und schließen lassen. Nicht die Natur habe er nachgeahmt, so Ssymmank, sondern „aus der Natur gelernt, wie sie Licht aktiv farbig produziert“. So kann der Stimmung entsprechend das Licht mal weiß und klar, mal farbig und diffus scheinen.

Fest und ehern steht indes die Leuchte „Schliephacke“ für die „geometrischen Funktionalisten“. Benannt ist sie nach ihrem Entwerfer Fridtjof Schliephacke, von dessen Zeichentisch etwa auch das terrassierte Hochhaus von 1970 an der Kleiststraße in Schöneberg stammt. Seine Lampe wurde ebenfalls 1959 entworfen und sollte im Studentendorf Eichkamp als lichtspendender Dreh- und Angelpunkt des Zimmers allen Ansprüchen genügen: In unterschiedliche Positionen einstellbar als Tisch-, Wand- und Deckenleuchte, kann sie dem Nutzer mit direkter und indirekter Beleuchtung dienen. Mit ihren kantigen Profilen und dem kreisrunden Schirm aus eloxierten Metall setzt sie einen markanten Akzent im Raum; in jüngster Verwendung und an ungewöhnlicher Stelle – im Krematorium Treptow – hat sie mit senkrecht gestellten Schirm die Erscheinung einer Art abstrakter Wächterfigur.

Bei MawaDesign lag der Schwerpunkt immer schon bei Leuchtkörpern, deren Gebrauch und Funktion im Vordergrund stehen. Dekorative oder kunstgewerbliche Objekte haben Wallroth nie interessiert. Insofern ist es wenig erstaunlich, dass er sich auch bei seinen eigenen Entwürfen konzeptionell und formal an Gegenständen aus der Zeit um 1960 orientiert. Seine Lampen zeichnen sich vor allem durch edle Schlichtheit aus. 1998 hat Wallroth, der im Übrigen nie ein gestalterisches Fach studiert hat, sich den Designer Peter Schneider, dessen Entwürfe das Programm schwungvoll ergänzen, als Juniorpartner geholt.

Die Neuauflagen bereits bekannter Entwürfe, wie im Bereich Accessoires etwa die Wanduhr „City Hall“ vom dänischen Architekten Arne Jacobsen, sichert MawaDesign ein zeitloses Segment im modischen Markt der Gegenstände. Mit dem Umzug von Berlin nach Langerwisch 1997, wo zukünftig in einem Showroom die Produkte zu sehen sein sollen, wird örtliche Verbindlichkeit signalisiert.

Weitere Re-Editionen sollen folgen, sodass die Lust an weiteren Entdeckungen aus der Berliner Designgeschichte durch Produkte von MawaDesign genährt wird. Wie wäre es etwa mit Ssymmanks Kugelleuchte aus der Berliner Philharmonie?

Infos: www.mawa-design.de.Leuchten gibt es u.a. bei: Arno-Leuchten, Stadtbahnbogen/Savignyplatz, 10623 Berlin; Mösch, Kantstraße 150, 10623 Berlin. Accessoires gibt es bei: Modus, Wielandstraße 27 – 28, 10707 Berlin, Exil Wohnmagazin, Yorckstraße 24, 10965 Berlin

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