„MODERNES REGIEREN“: WARUM SCHRÖDERS GÄSTE NICHTS NEUES SAGTEN: Ohne Feinde keine Freunde
Staatsmänner auf der Suche nach außenpolitischen Erfolgen entscheiden sich gern zwischen zwei gängigen Mitteln: Sie organisieren Kriege oder Konferenzen. Einen Krieg hat Gerhard Schröder schon hinter sich, diesmal versuchte er sein Glück mit der Konferenz für modernes Regieren.
Für gelungene Kriege wie Konferenzen sind zwei Gruppen unverzichtbar: Freunde und Feinde. Dass die Berliner Veranstaltung vom Wochenende weitgehend fruchtlos blieb, haben sich die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs selbst zuzuschreiben: Sie wussten kaum, warum sie Freunde sind, und schon gar nicht, wer ihre Feinde sind.
Beide voneinander zu unterscheiden erforderte schon immer staatsmännisches Geschick. In den unübersichtlichen Zeiten seit dem Ende des Kalten Krieges gilt das erst recht. Wer gut ist und wer böse, das ist heutzutage immer ein bisschen willkürlich. Erst rüsteten die USA den Irak auf, dann bekriegten sie ihn. Noch gilt Putin dem Westen als Garant von Stabilität, morgen ist er vielleicht schon der neue Pinochet. An klaren Konturen mangelt es auch in ideologischen Fragen: Nicht nur in Deutschland, auch in der Welt drängeln sich die Demokraten von Spanien bis Indien in der globalen Mitte. Mehr Bildung, mehr Menschenrechte und weniger Armut – es dürfte kaum einen demokratischen Politiker geben, der diese Ziele nicht unterschreibt.
Was Wunder, dass Schröder schon bei der Gästeliste ins Schleudern geriet. „Mitte-links“ lautete ein Auswahlkriterium, später reichte es, „reformorientiert“ zu sein. Warum waren Argentinien und Südafrika vertreten, aber der High-Tech-Aufsteiger Indien nicht? Warum wurde der nur beschränkt reformfreudige Kostas Simitis aus Griechenland nach Berlin gebeten, aber kein einziger Osteuropäer, wie etwa der Sozialdemokrat Miloš Zeman aus Tschechien? Weil die Abgrenzungen widersprüchlich waren und der Zusammenhalt künstlich, war die Gefahr der Beliebigkeit offenkundig.
Die Beratungen der Regierungschefs in Berlin trugen nichts zur Selbstfindung des „globalen Clubs“ bei, den der Bundeskanzler sich gewünscht hatte. Was den Club von der Politik konservativ geprägter Regierungen unterscheidet, blieb weitgehend ungeklärt. Das konturlose Kommuniqué war somit ehrlich wider Willen. Die Regierungschefs begnügten sich damit, das Gute, Wahre, Unverbindliche zu beschwören: Mehr Bildung, mehr Menschenrechte und weniger Armut. Wo weltweit Konflikte drohen – infolge von Globalisierung, Migration und Wachstum – fiel den Staatenlenkern nur die Floskel von „Chancen und Risiken“ ein. Ihr Kommuniqué war ein einziges Sowohl-als-auch. Der Club der neuen Mitte bleibt vorerst ohne Satzung. PATRIK SCHWARZ
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