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Zehn Jahre Laufzeit zu verschenken

Mülheim-Kärlich kommt nie mehr ans Netz. RWE darf dafür seine anderen Meiler länger laufen lassen und verzichtet auf Schadenersatz. Ein völlig unnötiges Kanzlerzugeständnis, sagen die Bündnisgrünen

FRANKFURT taz ■ Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini (SPD) ist begeistert. Die Verständigung zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und RWE-Chef Dietmar Kuhnt über die Einbeziehung des stillgelegten Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich in den Atomkonsens sei ein „Sieg der Vernunft“, sagte sie gestern gegenüber der taz. Tatsächlich ist die im Spitzengespräch ausgehandelte Lösung für den durch Gerichtsbeschluss 1997 endgültig aus dem Stromverkehr gezogenen Meiler in der Erdbebenzone nahezu identisch mit dem von Martini favorisierten Vorschlag: fiktive Laufzeiten für das Ende der 70er-Jahre gebaute, aber nur für ein halbes Jahr am Netz hängende AKW zu errechnen. Und dieses Zeitkontingent dann den Laufzeiten der anderen Atomkraftwerke des Stromkonzerns gutzuschreiben. Für Martini ist das die „Rettung für den Atomkonsens“.

Und die Rettung von Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) vor der Schadenersatzklage von RWE gegen das Land Rheinland-Pfalz. Ursächlich für die Stilllegungsverfügung des Bundesverwaltungsgerichts war nämlich eine juristisch nicht haltbare Errichtungsgenehmigung für das AKW Mülheim-Kärlich – 1976 vorschnell erteilt unter der Regierungsverantwortung von Ministerpräsident Helmut Kohl. Dem Land habe ein „Regress in Milliardenhöhe“ gedroht, so Martini. Und RWE beabsichtigte bislang noch immer, das AKW über eine beantragte dritte „1. Teilerrichtungsgenehmigung“ wieder in Betrieb zu nehmen; trotz einem aktuellen Gutachten über die Erdbebengefahr. Das sei jetzt alles vom Tisch, so Martini. „Das AKW bleibt vom Netz.“ Und RWE ziehe seine Schadenersatzklage zurück: „Ein Sieg auch für die Bevölkerung in Neuwied und in Koblenz; und auch einer für die Bürgerinitiativen.“

Ein Sieg auch für RWE? „Ein grandioser“, sagt der Vorsitzende der Reaktorsicherheitskommission des Bundes, Lothar Hahn vom Ökoinstitut, leicht sarkastisch: „RWE bekommt zehn Jahre mehr Laufzeit für seine alten AKWs geschenkt – für ein AKW, das so gut wie nie am Netz war. Richtig sauer sind die Grünen im Landtag von Rheinland-Pfalz. Bis zuletzt hatte sich Fraktionschefin Ise Thomas dafür eingesetzt, RWE keine Zugeständnisse zu machen. Der jüngste Prozessverlauf vor dem Oberlandesgericht Koblenz habe deutlich gemacht, dass RWE in der Schadenersatzfrage schlechte Karten hat, so Thomas. Und das neue Gutachten zur Erdbebensituation sei von allen Beteiligten – außer von RWE – als „endgültiges Todesurteil“ für den Meiler bezeichnet worden. „Es gibt also keinen Grund dafür, RWE noch Milliarden hinterherzuwerfen.“ Sollte RWE die gewonnen zehn Jahre zusätzliche Laufzeit etwa auf die Reaktoren B und C in Gundremmingen aufschlagen, würden die Meiler statt bis 2014 und 2015 bis 2019 und 2020 laufen; und RWE wäre um mehr als eine Milliarde Mark reicher, haben die Grünen ausgerechnet. Irgendetwas müsse RWE ja schließlich vom Atomkonsens haben, sagte Martini abschließend: „Sonst wäre es ja kein Konsens.“ KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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