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Hilfe? Geh doch arbeiten

Bezirksamt Altona verweigert Sozialhilfe mit Hinweis auf Zeitarbeit und Bild-Zeitung. SOPO rät: Widerspruch einlegen  ■ Von Sandra Wilsdorf

Wer Arbeit will, findet auch welche. Aber Sozialhilfeempfänger liegen lieber auf unsere Kosten auf der faulen Haut, sagt der Stammtisch. Oder: „Sie können sich durch Arbeitsaufnahme selbst helfen und haben daher keinen Anspruch auf Sozialhilfe“, schreibt das Bezirksamt Altona und hat mit dieser Begründung in den vergangenen Monaten immer wieder Sozialhilfe verweigert. Vier Wochen bis vier Monate bekamen die Antragsteller, um sich Arbeit zu suchen, danach war Schluss mit Stütze. Arbeit gebe es genug. „Dieses belegt auch ein Blick in die heutige Bild-Zeitung“, schrieb das Amt und empfahl eine Zeitarbeitsfirma.

„Die suchten Leute, die für 11,50 Mark brutto Öltanks reinigen“, berichtet Renate Schumak von der Beratungsstelle „Solidarische Psychosoziale Hilfe“. Der Tarif für Ungelernte liege bei 16,50 Mark, „aber mit den meisten Zeitarbeitsfirmen gibt es keine Tarifverträge“.

Die „Sozialpolitische Opposition Hamburg“ (SOPO) schreibt in einem offenen Brief an Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und Kirchen: „Das Sozialamt in Altona leugnet pauschal das Vorliegen einer individuellen Notlage mit dem Verweis auf angeblich vorhandene Arbeitsplätze“. Bisher wurde die Sozialhilfe um maximal 25 Prozent gekürzt, wenn das Amt nachweisen konnte, dass der Antragsteller sich nicht um Arbeit bemüht hatte. „Dies ist aber eine neue Systematik“, sagt Pia Peddinghaus von der SOPO.

Renate Schumak weiß von einer Alleinerziehenden mit drei Kindern, „die auch so einen Bescheid bekommen hat.“ Auch eine 26-Jährige sei betroffen – obwohl sie pro Monat mindestens zehn Bewerbungen nachwies. In beiden Fällen habe das Amt weitergezahlt, nachdem sich eine Beratungsstelle eingeschaltet hatte. „Aber was ist mit denen, die eingeschüchtert sind?“, fragt Schumak. Rechtsanwalt Joachim Schaller rät, Widerspruch einzulegen. „Das hat allerdings nicht immer Erfolg und dauert oft sehr lange“. Denn in Hamburg gingen die Gerichte davon aus, dass jeder in kürzester Zeit Arbeit finden könnte und deshalb keinen Anspruch auf Sozialhilfe habe.

Beim Altonaer Sozialamt war gestern kein Zuständiger zu sprechen. Ingrid Harpe, Chefin des Ortsamtes Blankenese, sagt: „Es gibt definitiv keine Ansage, Sozialhilfe zu streichen“. Jeder Fall werde individuell geprüft. Im Zweifel rät auch sie: Widerspruch einlegen. Auch Ingo Schädlich, Sprecher der Sozialbehörde, weiß von keiner Globalrichtlinie.

Die SOPO fordert von der Sozialbehörde eine Dienstanweisung, die klarstellt, dass auch SozialhilfeempfängerInnen unzumutbare Arbeit ablehnen können. „Nötig sind Perspektiven für sinnvolle und exis-tenzsichernde Jobs“, sagt Peddinghaus, „nicht Arbeit um jeden Preis.“

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