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Unbefleckter Bischof

Der Ruander Augustin Misago ist der erste katholische Bischof, der wegen Völkermordes vor Gericht stand. Gestern wurde er freigesprochen

Ein katholischer Bischof ist keine internationale Krise wert. Dies dachten sich wohl gestern die Richter der ruandischen Hauptstadt Kigali, als sie ihr lang erwartetes Urteil über Augustin Misago fällen sollten. Der einstige Bischof von Gikongoro in Ruanda stand seit August 1999 vor Gericht – angeklagt als Mittäter des Völkermordes von 1994, als in Ruanda innerhalb von drei Monaten 800.000 Menschen, zumeist Tutsi, von radikalen Milizen getötet wurden. Es war der weltweit erste Völkermordprozess gegen einen Geistlichen.

Die Staatsanwaltschaft hatte die Todesstrafe beantragt. Unabhängige Beobachter rechneten mit 20 Jahren Haft, aus politischer Rücksichtnahme. Das Urteil schlug gestern Abend wie eine Bombe ein: Freispruch in allen Punkten. „Alle Beschuldigungen gegen Misago werden fallen gelassen“, sagte Richter Jariel Sekarusu. „Misago ist frei. Misago hat gewonnen.“

Die Anklagepunkte gegen den 57-jährigen Hutu Misago waren eher dünn. Er soll Schutz suchenden Tutsi, die vor Hutu-Milizen flüchteten, die Aufnahme in seinem Gemeindezentrum verweigert haben, darunter zehn Schulkinder und drei Priester. Er soll auch an Treffen mit politischen Führern teilgenommen haben, bei denen die Planung von Massakern diskutiert wurde. In der Präfektur Gikongoro starben während des Völkermordes etwa 150.000 Menschen. Der Präfekt von Gikongoro, Laurent Bucyibaruta, wurde vor knapp zwei Wochen in Frankreich verhaftet. Direkte Beteiligung an Morden wurde Misago, der im April 1999 verhaftet wurde, nicht vorgeworfen.

Misago wies vor Gericht alle Vorwürfe zurück. Wenn er an Treffen mit Politikern teilgenommen habe, dann, um von Massakern abzuraten, sagte er. Augenzeugen haben das zum Teil anders in Erinnerung. In deren Schilderungen erschien Misago als typischer Vertreter jener Schicht gut ausgebildeter und gläubiger Hutu, für die die Tutsi in Ruanda ein Fremdkörper und eine Bedrohung waren – eben jene Schicht, die den Massakern angewidert und wohlwollend zugleich zuschaute und die von Ruandas heutiger Regierung verachtet und ausgegrenzt wird.

Der Freispruch ist ein Erfolg für den Vatikan, deren Nachrichtenagentur Fides den Fall eifrig verfolgt hat und seine Unschuld für erwiesen hält. Alle katholischen Bischöfe der Welt, so die Agentur vorab, beteten für Misagos Freilassung. Es hat offenbar funktioniert. Die Auseinandersetzung mit der Rolle der katholischen Kirche in Ruanda während des Völkermordes (siehe Seite 10) steht damit immer noch aus.

DOMINIC JOHNSON

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