„Wir HSV-Fans halten zusammen“

Fußball-Anhänger vor Gericht: Polizeieinsatz „wie Amoklauf“  ■ Von Elke Spanner

Dass er nicht zur Europameisterschaft gefahren ist, liegt nicht an seinem Prozesstermin. Das hätte er ohnehin nicht getan, „das ganze Drumherum, die ganzen Kontrollen bei der Ausreise“ wären ihm „zu blöd gewesen, das hat mit Fußball nichts zu tun“, urteilt Matthias P. gegenüber der taz. Während in Belgien und Holland derzeit ein besonderes Augenmerk auf deutsche Hooligans geworfen wird, weil diese in der Vergangenheit durch Gewalttätigkeiten aufgefallen sind, befasste sich auch das Hamburger Amtsgericht mit einer Schlägerei, in die Fußballfans des HSV verwickelt waren.

Am 11. September vorigen Jahres hatte der HSV den Gegner Hertha BSC 5:1 geschlagen. Einen solchen Sieg richtig zu feiern, bedeutet vor allem Bier zu trinken. Bei Matthias P. „können es 20 schon gewesen sein“, als in der Fan-Kneipe „Kölsch-Pub“ auf dem Kiez plötzlich das Gerücht die Runde machte, die „Hertha-Frösche wollen kommen“.

Kurz darauf war an der Ecke zur Reeperbahn ein Tumult, man rannte hin, und wie es nun genau weiterging, läßt sich vor Gericht nicht eindeutig klären. Der Angeklagte Thomas S. jedenfalls, ebenfalls aus dem Kölsch-Pub hinzugeeilt, stand plötzlich in Handschellen über eine Motorhaube gebeugt, am Kopf die Pistole eines Zivilpolizisten, den er zu dem Zeitpunkt „für einen Psychophaten“ hielt. Auch Matthias P. wird in die Gemengelage involviert, irgendwann soll er versucht haben, den gefesselten Thomas S. freizuzerren. Er erinnert sich nicht genau daran, schließt es aber auch nicht aus, „wir HSV-Fans halten zusammen“.

Das Chaos haben nicht nur die Angeklagten als solches empfunden, sondern auch die beiden Zivilpolizisten, deren Einsatz im Verlauf des Prozesses in den Mittelpunkt gerät. Eine damals zufällig anwesende Passantin sagt, den einen Polizisten habe sie damals „für einen Amokläufer gehalten“. Dessen Kollege Eric D. bestreitet vehement, dass er Thomas S. die Pistole an den Kopf gehalten habe. Einer der Rechtsanwälte will ihm ein Zugeständnis erleichtern, bringt das Beispiel des von Hooligans lebensgefährlich verletzten Polizisten Daniel Nivel ins Spiel und seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass den nur zwei Beamten inmitten der Ausschreitungen „gar nichts zugestoßen“ sei. Der Polizist wundert sich auch und bleibt bei seiner Version.

Das Verfahren gegen Matthias P. wird schließlich eingestellt. Er war betrunken und wußte nach Überzeugung des Gerichtes nicht, dass es ein Polizist war, aus dessen Gewalt er Thomas S. befreien wollte. Der wird freigesprochen. Die Polizisten hatten ihn festgenommen, weil sie erst ein Messer bei ihm vermuteten und später unterstellten, er habe einen Schlagstock bei sich gehabt. Tatsächlich wurde auf dem Boden ein solcher gefunden – der Besitzer blieb in dem Gerangel laut Gericht jedoch unbekannt.