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Rassist ist kein Kollege

Winfried Sch. tötete 1993 den Gambier Kolong Jamba. Deshalb darf die Hamburger Umweltbehörde ihn wahrscheinlich entlassen  ■ Von Elke Spanner

Als „Teerpappe“ und „Bimbos“ hatte er Schwarze bezeichnet. 1993 erstach er den Gambier Kolong Jamba bei einem Streit. Und war sich keiner Schuld bewusst. Winfried Sch., wegen Totschlags verurteilt, fühlte sich ungerecht behandelt, obwohl er das Stader Landgericht mit einer Bewährungsstrafe als freier Mann verließ. Er sah auch nicht ein, dass er wegen der Tötung seinen Job als Bauingenieur bei der Hamburger Umweltbehörde verlieren sollte. Seiner Klage gegen die Kündigung gab das Landesarbeitsgericht statt. Jetzt hob das Bundesarbeitsgericht das Urteil auf: Seinen Job bei der Stadt ist Winfried Sch. damit voraussichtlich los.

Es war 16.17 Uhr, als der Ingenieur an jenem Dezembertag 1993 mit dem Eilzug vom Hauptbahnhof nach Buchholz fuhr. Als Kolong Jamba sein 1. Klasse-Abteil betrat, fühlte Sch. sich gestört. Um den Gambier zu vertreiben, öffnete er das Fenster und ließ eisige Luft herein. Es kam zum Streit. Sch. zog ein Fahrtenmesser aus der Innentasche seiner Jacke und stach zu. Während Kolong Jamba starb, ging der Ingenieur seelenruhig nach Hause.

Winfried Sch. hat sich stets auf Notwehr berufen. Das Landgericht Stade glaubte ihm und sprach ihn im April 1995 zunächst frei. Der Bundesgerichtshof kassierte das Urteil wieder ein. Im erneuten Prozess verurteilte ihn das Landgericht wegen Totschlags – zu einer Bewährungsstrafe.

Daraufhin kündigte die Umweltbehörde dem Ingenieur, der in der Abteilung für Altlastensanierung beschäftigt war. Durch ihn sei das Ansehen der Behörde beschädigt worden, führt Sprecherin Brigitte Köhnlein aus. Zudem sei der Betriebsfrieden durch Winfried Sch. erheblich gestört. Viele KollegInnen hätten sich geweigert, weiter mit ihm zusammenzuarbeiten.

Winfried Sch. hielt dagegen, ein wichtiger Grund für die Kündigung habe nicht vorgelegen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) folgte ihm im Oktober 1999. Das Bundesarbeitsgericht hingegen erinnert daran, dass „ein Angestellter im öffentlichen Dienst sein außerdienstliches Verhalten so einrichten muss, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird“. Das LAG habe die Schwere der Tat zu gering bewertet und unzutreffend darauf abgestellt, eine Ansehensbeschädigung der Stadt sei konkret nicht messbar und eine Störung des Betriebsfriedens nicht erkennbar. Diese klaren Vorgaben lassen dem LAG bei einer neuen Entscheidung kaum Spielraum.

Wenn die Kündigung endgültig bestätigt wird, kann der Schreibtisch von Winfried Sch. geräumt werden. Für die Dauer des Verfahrens hat die Umweltbehörde sich mit ihm darauf verständigt, dass er sich nicht im Büro aufhält – seine monatlichen Bezüge aber weiterhin kassiert.

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