piwik no script img

Daten vernichtet

Hirsch-Bericht: Unter Kohl wurden elektronische Dateien des Kanzleramts im Umfang von einer Million Seiten gelöscht. Unvollständige Akten

BERLIN ap ■ Die Vernichtung und Manipulation von Daten und Akten im Kanzleramt vor dem Regierungswechsel 1998 hat nach Erkenntnissen des Sonderermittlers Burkhard Hirsch weit größere Ausmaße als bisher angenommen.

Das berichteten mehrere Medien übereinstimmend am Wochenende. Allein von Computern seien Daten im Umfang von mehr als einer Million Seiten Papier gelöscht worden. Hirsch habe 99 Datensicherungsbänder gefunden und danach große Datenmengen rekonstruiert. Zudem habe er ermittelt, dass Akten zu heiklen Geschäften, die der Untersuchungsausschuss prüft, unvollständig seien. Der FDP-Politiker Hirsch war von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit der Suche nach den verschollenen Papierem zum Leuna-Minol-Verkauf und anderen Geschäften beauftragt worden. Sein 61-seitiger Bericht soll am Mittwoch dem Untersuchungsausschuss übermittelt werden. Kohls früherer Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) zeigte sich empört über die Veröffentlichungen der ARD und des Spiegels.

In der Welt am Sonntag sagte Bohl, die Bundesregierung spiele offenbar Hirschs Ergebnisse den Medien zu, ohne ehemalige Mitglieder der Kohl-Regierung zu informieren. Eine Regierungssprecherin wies die Vorwürfe gestern zurück. Bohl meinte, der Hirsch-Bericht werde zeigen, dass es keinen Anlass zur Annahme gebe, die ehemalige Leitung des Kanzleramts sei am Verschwinden der Leuna-Akten beteiligt gewesen. Bohl hatte im Februar eingeräumt, dass nach der verlorenen Wahl Daten von Festplatten gelöscht worden seien, allerdings nur politische Konzepte und „sonstige Vermerke von Mitarbeitern“. Zur Vernichtung habe die Regierung das Recht gehabt. Nach dem ARD-Bericht sieht Hirschs Ermittlungsgruppe eine solche Rechtsgrundlage nicht. Bei den Ermittlungen habe sich auch ergeben, dass bei allen überprüften politisch heiklen Geschäften die entsprechenden Akten nicht vollständig gewesen oder bestimmte Vorgänge nachträglich entfernt worden seien. Dies treffe sowohl auf den Leuna-Minol-Verkauf zu als auch auf das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien, an dem der Rüstungslobbyist Karlheinz Schreiber beteiligt gewesen sei.

Dies berichtete auch der Spiegel. Schon Mitte der 90er-Jahre seien dem damaligen Untersuchungsausschuss zum Leuna-Geschäft gesäuberte und gefälschte Akten übergeben worden. Einige Bestände seien verschollen, andere nur in unvollständigen Kopien vorhanden, die keinen Rückschluss auf die ursprünglichen Akten zuließen. Wieder andere Papiere seien unter falschen Sachgebieten archiviert worden und praktisch unauffindbar.

kommentar SEITE 11

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen