piwik no script img

Die Frauen, die Stadt, der Plan und der sehr große Fisch

■ Wem nützt eigentlich ein Frauenstadt-Plan? / Wer ist überhaupt mit „Frauen“ gemeint: die Expo-Touristin, der minderjährige Big Brother-Nachwuchs, die Polit-Schlampe oder etwa die Mutter zweier Kinder und eines Golden Retrievers?

Seit einem Jahr gibt es den Frauenstadt-Plan des Frauenzentrums „belladonna“, auf dem sowohl Frauenpark-Plätze als auch die einschlägigen Institutionen und Angebote inklusive Fernseh- und Radiosendungen für Frauen verzeichnet sind. „Für Frauen?! Moment mal! Was soll denn das heißen: Frauen?!“, klingt es da aus dem feministischen Theorie-Off und eine Stimme mit amerikanischem Akzent weist auf die Pluralität der weiblichen Erfahrungszusammenhänge hin. Dann verbindet sie in einem Satz die Worte fragmentarisch, Identität, Kategorie, Geschlecht und Ethnizität, sagt dreimal Hokuspokuspostmodernefidibus und verkündet den programmatischen Satz: „Die autofahrende Mutter zweier Kleinkinder und eines Golden Retrievers hat ganz andere Ansprüche an einen Frauenstadtplan als die bahnreisende Expo-Touristin.“ Bevor sie zu einem längeren Vortrag über Geschlechter-Konstrukte ansetzen kann, rufen wir „Halt's Maul, Judith!“ und werfen einen Blick auf die herumlaufenden Fragmente in der Frauenstadt Bremen.

1. Die bahnreisende Expo-Touristin stellt enttäuscht fest, dass es in Bremen noch weniger Expo gibt als in Hannover und dafür umso mehr Baustelle. In der Touri-Information am Bahnhof gibt es leider keinen Frauenstadt-Plan, aber am Herdentor gabelt sie eine Truppe von Frauen auf, die gerade ihren Stadtrundgang „Bremer (Un)Freiheit – Frauenleben im 17. Jahrhundert“ beginnen. Die Historikerin Christine Holzner-Rabe führt zu verborgenen Frauenorten, erzählt unterhaltsame Schauergeschichten und wirft ein neues Licht auf die Rathausfassade von 1612. Nicht nur die Expo-Touristin starrt gebannt auf das Bildnis des Papstes auf allen Vieren, dem ein Schwert in den Hintern gerammt wird. Weiteres Highlight: Die Darstellung der Brema als „Die es mit dem Delphin treibt“. Die Expo-Touristin hat mittlerweile einen Plan, auf dessen Rückseite sie den Frauensex-Shop entdeckt. Als Souvenir kauft sie stilecht einen vibrierenden Flipper und behauptet zu Hause, der Delphin wäre so etwas wie der fünfte Beatle der Bremer Stadtmusikanten.

2. Für die Interessen des heterosexuellen Teenagers mit Big Brother-Ambitionen aus Delmenhorst ist der Frauenstadt-Plan wenig hilfreich. Dort sind nur die Orte für Mädchen verzeichnet, wo sie ihren liebsten Freizeitbeschäftigungen (Was reimt sich auf shoppen?) garantiert nicht nachgehen kann. Deshalb kauft sie sich flink den Juni-Bremer über die „erogenen Zonen“ der Stadt. Hier erfährt sie, an welchen Orten sie mit permanenten Anmachen und Belästigungen rechnen kann.

3. Das neu zugezogene Erstsemester im klassischen Polit-Schlampen Outfit (lässige Streetwear, Piercing und Frisuren wie Kippenberg-Gymnasiastinnen vor fünf Jahren – aber alles ne Spur abgerissener und kombiniert mit Teilen aus vergangenen Ökozeiten) klaut den Plan im Frauenbuch-Laden. Nachdem sie die Rubriken überflogen und nichts zum Stichwort „Feiern & Zappeln“ gefunden hat, geht sie der Bremer Frauenszene unter 35 auf eigene Faust auf die Spur.

4. Neu-Bremerinnen über 35, (werdende) Mütter, Ratsuchende und Stadtplanfetischistinnen zahlen artig die zwei Mark für den Frauenstadt-Plan (erhältlich u.a. bei der ZGF sowie einer Reihe von Buchläden buten und binnen) und sind glücklich, bis ihr Plan auseinanderfällt. Eiken Bruhn

Nähere Informationen (auch über Frauenstadt-Rundgänge) gibt es bei „belladonna“, Sonnenstraße 8, ☎  70 35 34.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen