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Gegen den Hass

Texte gegen Gewalt erinnern an der Düsseldorfer S-Bahn-Station Wehrhahn an den Anschlag. Polizei ermittelt in rechtsextremen Kreisen

aus Düsseldorf ANNETTE KANIS

Der Express in Düsseldorf schreibt von der „Nazi-Bombe“, und führende Politiker vermuten Ausländerhass als Motiv. Nach dem Sprengstoffanschlag an einer Düsseldorfer S-Bahn-Station am vergangenen Donnerstag erschüttert der mögliche rechtsextreme Hintergrund. „Auch wenn über die Täter und die Motive des mörderischen Bombenanschlags in Düsseldorf noch keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen: Allein die Tatsache, dass Ausländerhass als wahrscheinlichster Hintergrund erscheint, sollte uns aufschrecken“, so formulierte es Außenminister Joschka Fischer am Wochenende. Auch Innenminister Otto Schily vermutet einen rassistischen Hintergrund.

Noch gibt es keine Einzelheiten über den Hintergrund des Sprengstoffanschlags, bei dem zehn Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden. Sechs der Opfer waren Juden, alle kamen sie aus der ehemaligen Sowjetunion. Bombensplitter hatten das Ungeborene einer 26-jährigen Frau getötet, ihr Mann schwebt immer noch in Lebensgefahr. Die Polizei ermittelt nun in rechtsextremen Kreisen, sie schließt aber auch andere Motive nicht aus. Fest steht bislang, dass der Sprengkörper eine selbst gebastelte und mit Splittern gefüllte Rohrbombe war. Eine kleine Ecke mit Kerzen, Teelichtern und Rosen erinnern an der S-Bahn-Station Wehrhahn an den Anschlag. Blätter mit Sprüchen und Texten gegen Gewalt sowie Psalme liegen daneben – „Dem Hass keine Chance“, hofft ein jüdisches Gemeindemitglied.

Russland, Ukraine und Aserbaidschan, das war bis vor wenigen Monaten die Heimat der Opfer. Sie kamen nach Deutschland als jüdische Kontingentflüchtlinge. Ihr Glaube ist Garant für eine Daueraufenthaltsgenehmigung – so sieht es die Regelung der Bundesregierung vor, die nach dem Mauerfall den Zuzug für Juden aus Osteuropa ermöglichen wollte. Eine Regelung, die das jüdische Gemeindeleben in Deutschland von Grund auf verändert hat.

„Unsere Gemeinden waren kurz vor dem Aussterben“, beschreibt Mark Soibelmann, Sprecher des Interimsvorstands der Jüdischen Gemeinde in Mainz, die Situation Ende der 80er-Jahre. Der 47-Jährige verließ bereits vor 24 Jahren Moldawien, um in Deutschland ein anderes Leben zu beginnen. Heute zählt seine Gemeinde 500 Mitglieder, vor zehn Jahren waren es um die hundert. Etwa 50.000 Zuwanderer aus den verschiedenen Ländern Osteuropas kamen nach dem Ende des Kalten Kriegs nach Deutschland. Jetzt leben hier mehr als 80.000 Juden. „Schwierigkeiten innerhalb den Gemeinden hat es durchaus gegeben“, räumt Mark Soibelmann ein. Alteingesessene Gemeindemitglieder monierten, dass viele Zuwanderer nur noch wenig mit dem jüdischen Glauben zu tun hätten. In der alten Heimat wurden sie oft wegen ihres Glauben beruflich und sozial benachteiligt, Antisemitismus war keine Seltenheit.

Die Auswanderung nach Deutschland – für viele eine Chance mit wirtschaftlichen Verbesserungen und neuen Perspektiven. Die Integration der Zuwanderer und besonders die Jugendarbeit steht für ihn im Vordergrund der aktuellen Gemeindeentwicklung. „Dabei müssen wir uns leider auch mit räumlichen und personellen Engpässen arrangieren.“ So fehle es an deutschsprachigen Rabbinern ebenso wie an ausreichenden Gemeinderäumen. Dennoch blickt Vorstandssprecher Mark Soibelmann zuversichtlich in die Zukunft des sich ständig verändernden jüdischen Gemeindelebens. Sollte sich jedoch herausstellen, dass der Anschlag in Düsseldorf ein antisemitischer war, wäre sein Optimismus erschüttert.

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