: Streit um künftiges Demorecht
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Wilhelm Schmidt, schlägt Verschärfungen beim Demonstrationsrecht vor. Grünen-Chefin Renate Künast will Ergänzungen. Innenstaatssekretäre wollen Material zur NPD zusammentragen
Von KARIN NINK
Kontrovers wird in der Regierungskoalition das weitere Vorgehen gegen Rechtsextreme diskutiert. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Wilhelm Schmidt will das Demonstrationsrecht prüfen lassen und gegebenenfalls auch verändern, um Aufmärsche von Rechtsextremen zu verhindern. Derzeit würden rechtsextreme Demos nur dann verboten, wenn eine Gegenveranstaltung geplant sei und man mit Ausschreitungen rechnen müsse, sagte Schmidt. „Es kann nicht sein, dass der Rechtsstaat nichts verbieten kann, was gegen ihn gerichtet ist.“
Mit dem Blick auf die besondere deutsche Geschichte sieht die Grünen-Chefin Renate Künast die Möglichkeit, das Demonstrationsrecht anknüpfend an Paragraf 130 des Strafgesetzbuches (Volksverhetzung) zu ergänzen. Danach macht sich strafbar, wer zu Hass oder Gewalt gegen Teile der Bevölkerung aufruft. Künast erklärte gestern gegenüber der taz, es sei wichtiger, die notwendigen Maßnahmen „mit Tiefgang zu diskutieren“.
Dagegen hielt der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, gegenüber der taz eine Änderung des Versammlungsrechts für überflüssig. Denn auch nach geltendem Recht könnten NPD-Demonstrationen verboten werden. Bei den in Berlin stattgefundenen rechten Aufmärschen habe die örtliche Versammlungsbehörde, der Polizeipräsident, „nicht juristisch sachlich genug“ entschieden. Für den ehemaligen Verwaltungsrichter Wiefelspütz steht außer Frage, dass die Demonstration durch das Brandenburger Tor, die von der NPD für den 27. Januar 2001, den Jahrestag der Auschwitz-Befreiung, geplant wird, verboten werden kann. Die Veranstaltung sei „eine bösartige Provokation“ und bezwecke nichts anderes, als das Andenken an die ermordeten Juden zu beschmutzen, sagte Wiefelspütz. Damit stelle der Aufmarsch „eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ dar und müsse nach Paragraf 15 des Versammlungsrechts verboten werden.
Wiefelspütz erinnerte daran, dass das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit mehrfach gut begründete Verbote von NPD-Veranstaltungen bestätigt habe, und resümiert: „Verbote sind in der Regel und von Rechts wegen möglich. Was man darüber hinaus ertragen muss, kann eine demokratische Gesellschaft aushalten.“
Wiefelspütz und Schmidt sind sich darin einig, dass es nichts bringt, „befriedete Gebiete“ einzurichten, in denen nicht mehr demonstriert werden darf. „Neonazi-Aufmärsche müssen anders verhindert werden“, kommentierte Schmidt den Vorschlag des Berliner Innensenators Eckart Werthebach, der auch die Zustimmung von Bundesinnenminister Otto Schily findet.
Wiefelspütz gab zu bedenken, dass in es Berlin viele Orte gebe, die mit der NS-Vergangenheit in Verbindung gebracht würden, die aber nicht alle als „befriedete Gebiete“ ausgewiesen werden könnten. „Wir dürfen uns nicht von Rechtsextremisten am Nasenring durch die Manege ziehen lassen“, warnte Wiefelspütz.
Allerdings hält der Innenpolitiker die Prüfung eines Verbotes der NPD für sinnvoll. Das Ziel eines NPD-Verbotes ist gestern auch bei anderen Politiker von Regierung und Opposition auf Zustimmung gestoßen. Die Bund-Länder-Gruppe, die heute erstmals tagt, um über dieses Thema zu sprechen, soll neben einem Verbot der NPD auch andere rechte Parteien überprüfen. Die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Brigitte Zypries, nannte am Donnerstagabend die DVU und die Republikaner.
Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll bis Oktober eine tragfähige Grundlage für die Entscheidung vorlegen, ob ein Verbot rechtsextremer Parteien beim Bundesverfassungsgericht Aussicht auf Erfolg hat. Bis dahin sollen auch alle Verfassungsschutzämter ihre Kenntnisse über rechtsextremistische Parteien zusammengetragen haben.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz bekräftigte seine Auffassung, ein gründlich vorbereiteter Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht habe „auf jeden Fall“ Erfolg. Die Forderung der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, Rechtsextremisten aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen, hat die Bundesregierung als „überflüssig“ zurückgewiesen.
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