: „Theater ist wie die Polizei“
■ Im Kulturetat klafft ein Millionenloch. Deshalb kündigt Kultursenator Schulte (CDU) am Ende der Sommerpause schmerzliche Einschnitte an
Die kulturpolitische Sommerpause ist vorbei, es geht wieder ans Werk: Innen, Kultur- und Sportsenator Bernt Schulte (CDU) arbeitet an Vorlagen für eine entscheidende Kulturdeputationssitzung Ende September. Darin steht, wie er das Millionenloch in seinem Etat stopfen will. Das, so kündigt er im taz -Interview an, wird nicht ohne schmerzliche Einschnitte gehen. Außerdem äußert er sich zum aktuellen Stand beim Umbau der Kulturverwaltung und verrät, wie er einer Aldi-Verkäuferin die Gründe für Theatersubventionen erklärt.
taz: Demnächst feiert das Kulturzentrum Lagerhaus 20-jährigen Geburtstag. Was würden Sie spontan ins Grußwort schreiben?
Bernt Schulte: Das Lagerhaus ist ein sehr kreatives Haus, das einige ganz spannende Ideen wie den Sportgarten verwirklicht hat. Es besteht aus vielen Initiativen. Manche dieser Initiativen betrachte ich mit einem kritischen Ansatz. Die Frage lautet: Welche Arbeit wird von soziokulturellen Zentren in klassischer Kulturarbeit gemacht, und wo muss ich andere Ressourcen anzapfen? Das gilt so ähnlich auch für die Bürgerhäuser. Ich habe ein Gespräch mit der Sozialsenatorin verabredet und muss das Sozialressort an den Kosten beteiligen. Wir haben eine Minderausgabe von 2,1 Millionen Mark zu erwirtschaften, und einen kleinen Teil will ich darüber finanzieren.
2,1 Millionen Mark fehlen Ihnen noch. Das klingt so, dass das Thema abgeordnete Lehrer inzwischen gelöst ist?
Das ist, wie ich heute erfahren habe, noch nicht gelöst. Wir haben zusammen mit dem Bildungssenator eine intelligente Lösung gefunden. Jetzt will plötzlich die Bildungsverwaltung Abstriche machen. Es ist hier dramatisch, dass Kultur und Bildung nicht mehr in einer Hand sind, weil das Bildungsressort glaubt, es könne sich die Lehrer einfach zurückholen. Ich habe zwar Verständnis dafür, aber viele abgeordnete Lehrer sind bei uns unverzichtbar und können auch nicht einfach in die Schule zurück.
2,1 Millionen Mark plus X ...
Das mit plus X wollen wir noch mal abwarten.
Also 2,1 Millionen Mark – reicht Ihre Synergie dafür oder kommen doch die lang angekündigten scherzlichen Einschnitte?
Natürlich wird es schmerzliche Einschnitte geben. Ich werde die Vorschläge nächste Woche mit den kulturpolitischen Sprecherinnen besprechen, sie mir dort absegnen lassen und Ende September der Deputation vorstellen. Aber wir haben auch intelligente Lösungen wie beim Kunstzentrum am Buntentorsteinweg gefunden. Das wird etwas ganz Neues und, was mir besonders wichtig ist, es wird auch kostenneutral. Ich hoffe, dass wir im September eine Entscheidung treffen und dann auch mit dem Bau beginnen können.
Es mehren sich die Zeichen, dass das nicht kostenneutral geht.
Es muss kostenneutral gehen.
Eine Bremer Spitzenpolitikerin hat kürzlich gesagt, sie wisse nicht, wie sie einer Aldi-Verkäuferin die Theatersubventionen erklären soll. Können Sie ihr Nachhilfe geben?
Ein Theater ist genauso wichtig wie die Polizei. Der einzelne Bürger, der sich über die Polizei ärgert, weil ein Strafmandat am Auto klebt, ist dankbar, wenn die Polizei da ist, wenn der Einbrecher in die eigene Wohung kommt. Der normale Bürger geht vielleicht nicht ins Theater. Aber wenn er dann doch geht, dann freut er sich, dass es da ist. Und dann wird die Aldi-Verkäuferin sagen, dass zur Standortqualität ein Theater gehört.
Sind Sie häufig mit solchen Politikerhaltungen konfrontiert?
Ja, es gibt immer einen Gegensatz zwischen Finanzen und Kultur. Bei Bildung kann man sagen, messbar ist das Ende, wenn ein junger Mensch Abitur gemacht hat. Kultur ist nicht messbar – auch nicht an überregionalen Zeitungsartikeln. Kultur gehört zur Stimmung. Und ich kämpfe dafür, dass Stimmung Teil der Lebensqualität ist. Dafür brauchen wir auch hoch subventionierte Theaterplätze und auch den Off-Bereich als Investitionen in den Standort.
Mit dem Musical „Jekyll & Hyde“ kommen jetzt weitere subventionierte Theaterplätze hinzu. So war das doch nicht geplant?
Jekyll & Hyde wird völlig zu Unrecht herunter geredet. Das Musical hat Bremen genauso wie das Musikfest einen Impuls gebracht. Trotzdem muss man die Finanzen von „Jekyll & Hyde“ genauso kritisch anschauen, wie ich jetzt die Theater anschaue. Es war immer klar, dass Jekyll & Hyde endlich ist. Und bevor dieser Punkt kommt, sollte ein neues Stück gesucht werden, das möglichst genauso gut ist wie „Jekyll & Hyde“.
Wie weit sind Sie mit den Investitionen in die eigene Verwaltung? Wollen Sie die Controlling-Gesellschaft kmb zum beliehenen Unternehmer machen und ihr dadurch Aufgaben der Verwaltung geben?
Ich habe gesagt, dass wir nach einem Jahr Diskussion endlich zu inhaltlicher Arbeit kommen müssen. Zum Teil beschäftigen wir uns mit uns selbst. Als ich das Amt übernahm, hatte ich gehofft, das schnell hinzubekommen. Das war ein Trugschluss. Es gab unklar definierte Schnittstellen, es gab Doppelarbeit, und es gab Demotivation der Mitarbeiter. In dieser Situation fiel das Kulturressort unangenehm beim Haushaltsausschuss und beim Finanzressort auf. Da war meine ganz pragmatische Lösung: Die Organisationseinheit, die am kompetesten, am gründlichsten und am anerkanntesten Schwachstellen aufgespürt hat, ist die kmb. Der jetzt die rechtliche Kompetenz zu geben, die Mittelvergabe abzuwickeln, hielt ich für logisch richtig. Das kann ich aber nur machen, wenn dadurch nicht mehr Personal eingestellt werden muss. Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen. Fragen: ck
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