: Nietzsche ist tot!
Den „Dämon von Dienst“ entzaubern: Philosophisches Cafe im Literaturhaus
Schon seltsam, dass man Todestage feiert! Aber irgendwie müssen die Sondertische in den Buchhandlungen ja gefüllt werden. Goethe hatten wir letztes Jahr, jetzt kommt ein anderer deutscher Dichter und Denker zum Zug, der lange nicht so beliebt ist wie der noble Dichterfürst: Friedrich Nietzsche. Frauenverächter, Antidemokrat, Verkünder des Übermenschen und der „Gott ist tot“-These – als „Dämon vom Dienst“ bezeichnete ihn der „Spiegel“ jüngst erst in einem Artikel, der zum 100. Todestag erschien. Friedrich Nietzsches Werk ist heute genau so umstritten wie zu seinen Lebzeiten. Auch wenn der Vorwurf von nationalistischem oder antisemitischem Gedankengut in seinen Schriften mittlerweile längst widerlegt wurde, haftet seinem Namen immer noch eine hartnäckig braune Farbe an.
„Nietzsche war ein Laboratorium. Er experimentierte mit hoch gefährlichen Gedanken“, behauptet der Philosoph und Schriftsteller Rüdiger Safranski, der rechtzeitig vor Nietzsches 100. Todestag am 25. August eine neue Biografie über den „Don Juan der Erkenntnis“ (Nietzsche über Nietzsche) veröffentlicht hat. Im Hamburger Literaturhaus gibt es jetzt Gelegenheit, mit Rüdiger Safranski, dem freien Autor Reinhard Kahl und dem Filmemacher Theo Roos Nietzsches explosive Thesen zu diskutieren und vielleicht das ein oder andere Vorurteil ins Wanken zu bringen.
Reinhard Kahl dürfte regelmäßigen Besuchern des „Philosophischen Cafés“ kein Unbekannter sein. Er hat die monatliche Veranstaltungsreihe im Literaturhaus von Beginn an moderiert, also seit Januar 1999. Nach Themenabenden wie „Ich bin so frei“, „Nichts“, „Das Schwere“ oder „Glück“, zu denen jeweils ein Experte eingeladen war, widmet sich das „Philosophische Café“ jetzt erstmals ausschließlich einem Denker – und hat dafür gleich zwei Fachleute gewonnen. Wie gewohnt sitzen die Referenten bei der Veranstaltung nicht auf einem Podium, sondern zwischen den „normalen“ Gästen, deren Einmischung sehr erwünscht ist.
Dritter im Bunde ist der Filmemacher Theo Roos, der in seiner Dokumentation „GenNietzsche“ Texte des „philosophischen Tänzers“ mit landschaftlichen Stationen seines Lebens kombiniert hat und dabei einem unverwechselbaren „Nietzsche-Sound“ nachspürt. Wer nicht genug von Nietzsche bekommen kann und sich schon tagsüber auf den Philosophen einstimmen möchte: „GenNietzsche“ läuft am 1. September ab mittags als Endlosschleife im Literaturhaus (im Fernsehen am 31.8. auf 3Sat), daneben gibt es noch eine Nietzsche-Dokumentation mit Rüdiger Sanfranski zu sehen.
Karin Liebe
Freitag, 1. September, 19 Uhr, Literaturhaus
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