: Schröders Netzwerk
Bis Ende 2001 will der Kanzler mit Hilfe der Wirtschaft alle deutschen Schulen ans Internet anschließen. IT-Branche ist pessimistisch
aus Hannover JÜRGEN VOGES
„Internet für alle“ lautete die vollmundige Überschrift, mit der Gerhard Schröder seine Rede auf einem Jubiläumskongress der Initiative D21 betitelt hatte. Immerhin kündigte der Bundeskanzler gestern auf dem Expo-Gelände an, dass bis Ende kommenden Jahres „alle deutschen Schulen mit PC und Internetzugang ausgestattet werden“.
Nach Angaben der Initative D21, die führende IT-Unternehmen vor einem Jahr gemeinsam mit dem Kanzler aus der Taufe gehoben hatten, formulierte Schröder damit allerdings ein recht ehrgeiziges Ziel. Nur 12.000 der rund 40.000 deutschen Schulen seien bislang mit „Netzzugang, Medienecken oder Internetklassenzimmern ausgestattet“ worden, betonte der Vorsitzende von D21, der Chef von IBM-Deutschland, Erwin Staudt. Selbst von dem Ziel, insgesamt 20.000 Schulen bis nächstes Jahr ans Netz zu bringen, sei die Initiative „noch weit entfernt“.
Gerhard Schröder sah das dennoch anders: Der Anschluss aller Schulen an Netz müsse „bis zum Ende des nächsten Jahres erfolgreich zum Abschluss gebracht werden“. Außerdem sollten bis dahin auch alle öffentlichen Bibliotheken einen Netzzugang erhalten. Und die Arbeitsämter sollen von Oktober an jedem Arbeitslosen kostenlose Internetschulungen anbieten.
Wer von den dreihundert Zuhörern im deutschen Expo-Pavillon auch finanzielle Zusagen des Kanzlers erwartet hatte, wurde enttäuscht. Schröder rief vor allem die Wirtschaft und die Bundesländer zum Handeln auf. Das Ziel, alle Schulen ans Netz zu bringen, könne man gemeinsam erreichen. Dazu habe auch die Wirtschaft ihren Beitrag zu leisten. Nach dem Vorbild von großen Computer- und Software-Unternehmen sollen nun vor allem kleine und mittlere Unternehmen Patenschaften für Schulen übernehmen und ihnen die entsprechende Ausstattung zur Verfügung stellen.
Immerhin will der Bund dieses flächendeckende Sponsoring, bei dem ausgediente PCs zu den Schülern wandern, steuerlich erleichtern. Ein „Zehnpunkteprogramm – Internet für alle“, das Schröder auf dem D21-Kongress erläuterte, sieht unter anderem vor, dass die Unternehmen mit Vorteilen bei der Umsatzsteuer rechnen könnten, wenn sie „ihrer“ Schule Computer überlassen. Auch soll die private Nutzung eines firmeneigenen PCs nun nicht mehr als geldwerter Vorteil gelten, den der Arbeitnehmer zu versteuern hat. Arbeitnehmer sollen auch einen PC mit Internetanschluss, der bei ihnen zu Hause steht, künftig als Werbungskosten von der Steuer absetzen können, sofern dieser beruflich genutzt wird.
Außerdem schilderte der Kanzler in seinem Programm noch einmal die Bemühungen der Behörden, selbst online zu gehen. Den Bürgern sollten alle staatlichen Dienstleistungen möglichst zügig auch über das Internet angeboten werden. Selbst Klagen vor Gericht sollen online gestellt werden können. Für den Bund selbst versprach der Kanzler, bis zum Jahr 2005 alle onlinefähigen Leistungen ins Netz zu stellen. Dann könnten etwa alle Bafög-Anträge gänzlich über das Internet abgewickelt werden.
Die gut betuchten Damen und Herren von der Initiative D21 konnten Schröder in vielen Aspekten zustimmen. In einem Punkt wollte der Kanzler die Wünsche der IT-Branche allerdings nicht erfüllen: Es bleibt dabei, dass die Branche für die Nutzung des geistigen Eigentums von Autoren an die Verwertungsgesellschaft Wort oder etwa die GEMA Abgaben zahlen soll.
Das „Internet für alle“ hält Schröder für unabdingbar, um eine Spaltung der Gesellschaft in Nutzer und Nichtnutzer zu vermeiden. Dies könne sich Bundesrepublik Deutschland aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen nicht leisten. Sie müsse „das volle Begabungspotenzial in unserer Gesellschaft ausschöpfen.“
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