: Blanker Aktionismus
Die Debatte über rechte Gewalt ist so eindimensional wie die Täter. Statt über Parteienverbote zu streiten, sollten strategische Konzepte entwickelt werden
Gießkannen gegen Glatzen: Wenn die EU-Millionen erst einmal verschüttet sind, wird man dem Phänomen der rechten Gewalt genauso ratlos gegenüberstehen wie vordem. Denn umfassende Strategien gegen rechte Gewalt sind nicht erkennbar. Dies ändert auch die Diskussion um ein Verbot der NPD nicht.
Statt blanken Aktionismus müssen Konzepte entwickelt werden, die auf kollektive Einstellungen, aber auch auf manifestes Gewaltverhalten reagieren. Vier Fragen stellen sich: Wie soll man gegen Spontantäter vorgehen? Wie kann man im Vorfeld ihre Gewaltbereitschaft verhindern? Wie lässt sich das sympathisierende Umfeld beeinflussen? Und schließlich: Wie ist mit rechtsradikalen Organisationen umzugehen? Verfassungsschützer mahnen, dass sich neben rechten Spontantaten schon bald strategischer Terror etablieren kann.
Hauptfehler in der Debatte ist, anzunehmen, durch Einstellungsänderungen bei rechten Jugendlichen wandele sich auch ihr Verhalten. Dies meint etwa die akzeptierende Sozialarbeit. Doch sind die Einstellungen oft nicht die Ursache: Sie bilden sich häufig erst, um eine bereits vorhandene Gewaltbereitschaft zu legitimieren. So lernten sich die Mörder von Alberto Adriano erst kurz vor der Tat kennen. Der Mord war kein politisches Fanal. Er wurde nachträglich mit dumpfen Ressentiments begründet. Rechte Einstellungen haben Korsettcharakter für die Täter, die damit sich und anderen ihre Gewalttaten erklären. Selbst wenn es gelänge, die Fremdenfeindlichkeit der Täter abzuschwächen: Hass und Gewaltneigung würden fortbestehen – wahrscheinlich lebenslang.
Als Strategie taugt daher nicht, die Einstellungen der Spontantäter zu verändern – man muss versuchen, ihre manifeste Gewalt einzugrenzen. Dies bedeutet Kontrolle durch Polizei und Justiz. Wo die eigene Destruktivität intern nicht beherrscht werden kann, müssen äußere Grenzen die fehlende innere Struktur ersetzen.
Repression schließt Prävention nicht aus. Die rechten Schläger stehen nicht plötzlich auf der Matte; sie fielen meist bereits in Kindergarten und Schule auf, ohne dass Jugendämter und soziale Netzwerke die Mittel und Motivation gehabt hätten einzuschreiten. Sozialarbeit macht Sinn, wenn sie früh ansetzt: zum Beispiel regelmäßige Besuche in den Familien, um Halt zu bieten, oder außerhäusige Unterbringung der gefährdeten Kinder.
Bestürzt räumte Wolfgang Thierse ein, dass sich rechte Gewalttäter in einem Teil der Bevölkerung eingebettet fühlen. Diesem tolerierenden Umfeld ist aber nicht allein durch Kampagnen für Polizisten, Lehrer, Ämter und Bundeswehr beizukommen: Aufenthalte in orientalischen Familien können zwar helfen, die eigene Position zu überdenken. Erreicht werden aber nur jene, die sich ohnehin sensibel mit dem Thema auseinander setzen – also nicht die Zielgruppe.
Daher gilt umgekehrt: Prävention schließt Repression nicht aus. Auch das Umfeld kann durch Sanktionen gesteuert werden. So sitzen viele der sympathisierenden Biedermänner in den Gemeinderäten und Verwaltungen. Wer – die eigene Wirtschaft im Sinn – für die Green Card ist, muss dafür sorgen, dass sich Fremde willkommen fühlen. Warum also nicht die Wirtschafts- und Strukturförderung für die Kommunen von ihrem migrationsfreundlichen Engagement abhängig machen? Dies würde einen erfreulichen Wettbewerb zwischen den Kommunen erzeugen – zumal wenn Medien und staatliche Einrichtungen über das Klima in den Gemeinden berichten. Immobilien, aber auch Tourismusangebote würden im Wert sinken, wo rechtsextreme Potenziale bekannt werden. Merke: Das Nichtsein verstimmt das Bewusstsein. Das erfährt gerade Düsseldorfs Oberbürgermeister, der von einem Medientermin zum nächsten hetzt. Er bekommt kaum Gelegenheit, mit seiner Landeshauptstadt als Wirtschaftsstandort zu renommieren. Wesentlich ist das Maßnahmenpaket, das er gegen rechts schnürt.
Diese Strategie findet jedoch ihre Grenze, wo Ressentiments bereits in Parlamenten wüten: Wenn hessische CDU-Abgeordnete jüdische Immigranten problematisieren oder einem Abgeordneten die jemenitische Herkunft seines Vaters vorwerfen, dann geht es nicht mehr um verschwindende Minderheiten, die sich mit Repression und Prävention eingrenzen ließen.
Der Riss zwischen demokratischem Bewusstsein und totalitärem Denken geht mitten durch die Gesellschaft. CDU-Dung befruchtet die Fantasie gewaltbereiter Täter. Sie sehen sich als verlängerter, starker Arm eines schwachen Staates und glauben, dass zumindest einige Politiker auf ihre Zuarbeit warten.
Die meisten Gewalttäter sind keine Mitglieder der NDP oder DVU. Sie erleben diese nur als eine – im Hintergrund – Halt gebende Gruppe, die gewünschte Feindbilder liefert. Ein Verbot würde dieses legale Identifikationsangebot zerstören – Spontantaten aber nicht verhindern.
Gleichzeitig wird jedoch eine zweite Entwicklung deutlich: die Formierung rechten Terrors. Dazu gehören Drohbriefe an engagierte Gewerkschafter, Sozialarbeiter, die Witwe Adriano oder provozierende Aufmärsche von NPD-Angehörigen bei antirassistischen Veranstaltungen. Strategischer Terror soll demokratisches Handeln einschüchtern und unterdrücken. Nur vor dieser Perspektive kann ein NPD-Verbot sinnvoll sein. Entscheidendes Kriterium muss sein, ob ein Verbot den organisierten rechten Terror eindämmen könnte. Das ist die Frage, die Innenminister Schily in seinem Dossier beantworten muss.
Die Debatte darf sich jedoch nicht nur auf rechte Gewalt reduzieren. Wesentlich ist, wie der öffentliche Diskurs über die Migrationspolitik verläuft. Nur wenn Gesetzgebung und Verwaltung Einwanderer und Ausländer menschenwürdig behandeln, wenn Parteien sensibel mit dem Thema umgehen – nur dann werden sich rechte Einstellungen bekämpfen lassen. Doch die jüngsten Debatten in der CDU, ob die Einwanderungspolitik ein Wahlkampfthema sein soll, lassen schon für die nächste Landtagswahl in Baden-Württemberg Schlimmes befürchten. Die Unterstützer rechter Gewalt befinden sich in der Mitte der politischen Kultur. MICHA HILGERS/ANDREA SCHNEIDER
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