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Fußen Adolfs Reformpläne auf falschen Zahlen?

■ Institut für Arbeitsmarktforschung findet reihenweise Fehler im Mummert-Gutachten

Gegenwind für Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD): Nachdem in der vergangenen Woche die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ihre grundsätzlichen Bedenken an den Zielen des Verwaltungsumbaus öffentlich gemacht hatten, wird nun Kritik an den Grundlagen für Adolfs Pläne laut. Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe hat sich das Gutachten der Unternehmensberatung Mummert & Partner vorgenommen und eine „unglaubliche Fehlerdichte“ gefunden.

Die Hamburger Firma mit Dependancen in Wien, London, Mailand, New York, Zürich, Köln hat die Sozialhilfedaten in Bremen und vier Vergleichsstädten untersucht und der Hansestadt Einsparpotenziale in der Sozialhilfe im hohen dreistelligen Millionenbereich in Aussicht gestellt. Voraussetzung sei, dass es gelänge, die Höhe der SozialhilfeempfängerInnen von aktuell 100 pro 1.000 EinwohnerInnen auf 85 bis 65 zu senken. Laut Mummert-Gutachten residiert Bremen an der Spitze der Sozialhilfedichte vor den Städten Hamburg (75 HilfeempfängerInnen pro 1.000 EinwohnerInnen), Essen (62), Frankfurt/Main (57) und Stuttgart (42). In der vergangenen Woche hat Senatorin Adolf die von ihrem Ressort und der Unternehmensberatung Roland Berger erarbeiteten Pläne zur „Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung“ in ihrem Hause vorgestellt, durch die Bremen seinen negativen Spitzenplatz verlassen soll.

Doch Paul M. Schröder und sein Institut zweifeln an der Richtigkeit der Daten, die Bremen im Gutachten so schlecht aussehen lassen. Zum einen weist Schröder den externen Gutachtern Rechenfehler zuhauf nach. Im Fall Essen stimmt die Zahl der HilfeempfängerInnen nach Abzug von Kindern und „aus sonstigen Gründen nicht erwerbstätige Personen“ nicht mit der zuvor genannten Summe beider Gruppen überein. Ähnliche Unstimmigkeiten findet Schröder im Fall Hamburg. Für Bremen stellt er fest, dass erstens die gesonderte Aufstellung von Kindern und EmpfängerInnen, die „aus sonstigen Gründen nicht erwerbstätig“ sind, schlichtweg fehlt. Dass zweitens die Differenz zwischen der Summe aller HilfeempfängerInnen (rund 54.000) und derer, die keine Kinder und „sonstige Gründe“ sind (rund 41.500) bei rund 12.000 liegt. Das also wären dann Kinder und „sons-tige Gründe“, zugleich jedoch für Bremen „ein erstaunlich geringer Kinderanteil.“ Schröder weiter: „Mit 22,8 Prozent läge Bremen deutlich unter den in der Tabelle für Essen (39 Prozent), Stuttgart (34) und Hamburg (32,1).“

Fazit: Die Zahl der Bremer HilfeempfängerInnen ist viel zu hoch berechnet. Mehr noch: Rund 17.000 Personen laufen für die Gutachter als Arbeitslose – im Verhältnis zu Hamburg und Essen eine extrem hohe Zahl. Die überdies nicht übereinstimmt mit den Mitteilungen aus Adolfs Ressort, das „nur“ etwa 11.000 Menschen als arbeitslose SozialhilfeempfängerInnen ausweist. Wo also nahm Mummert seine Zahlen her?

Auch bei den Rechnereien ums Wichtigste, das Geld, hält Schröder dem Ressort Fehler vor. Einerseits schlichte Rechenfehler in den Aufstellungen der Summen, die die fünf Städte für die HilfeempfängerInnen ausgeben. Dann aber vergleicht er: Die Brutto-Gesamtausgaben Bremens im Jahr 1999 in Sachen Sozialhilfe liegen bei rund 360.000 Mark. Nach allen Zahlen, die Mummert & Partner im Gutachten präsentiert haben, hätte man für Essen mit bis zu einem Drittel weniger Kosten rechnen dürfen. Tatsächlich aber weist das Gutachten mit knapp 380.000 Mark, die Essen im selben Zeitraum für dieselbe Angelegenheit ausgab, noch viel mehr aus. Das findet Schröder „hochgradig erklärungsbedürftig“.

Er hat seine Zweifel im September dem Sozialressort mitgeteilt. Man habe die Papiere an die Firma Mummert & Partner weiter geleitet, so die einzige Resonanz. sgi

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