: Mummenschanz vor Gericht
■ Passbilder für Iranerinnen mit oder ohne Kopftuch? Von heute an beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht mit gefälschten oder erzwungenen Dokumenten
Das Bremer Innenressort samt Ausländerbehörde dürften ab heute mit Spannung nach Karlsruhe schielen. Dort wird sich das Verfassungsgericht mit den Kopftuch-Urteilen auseinander setzten. Wovon auch die Bremer Maßnahmen abhängen könnten, wie man in Zukunft mit ausreisepflichtigen Iranerinnen ohne Kopftuch auf dem Pass umgehen wird. Denn ohne Tschador auf dem Bild weigert sich der Iran, Frauen einreisen zu lassen.
In Nürnberg hatte deswegen die Ausländerbehörde Frauen mit Polizeigewalt unterm Tschador fotografieren lassen. Inwieweit das rechtmäßig ist, soll jetzt das Verfassungsgericht klären. Käme grünes Licht aus Karlsruhe, könnte man in Bremen die bislang versuchten Retuschen am Computer endgültig einstellen. Aber im Moment werde man nur abwarten, wie Karlsruhe entscheidet, erklärte der zuständige Sprecher Matthias Kramer.
Statt mit Polizeigewalt hatte man in Bremen vor rund einem Jahr das Foto der Iranerin Djamileh B. am Computer verfälscht und ein Kopftuch eingezeichnet. Damals wurden die Fotos zwar wieder vernichtet. Dennoch ermittelte seitdem die Staatsanwaltschaft wegen Urkundenfälschung. Die Ermittlungen sind inzwischen eingestellt: Die beanstandeten Fotos seien nie auf das Ausreisepapier aufgeklebt worden. Damit gebe es noch keine Urkunde, die hätte gefälscht werden können, so die offizielle Begründung.
„Retuschen kommen erst mal nicht mehr in Frage“, meint dazu auch Innenressort-Sprecher Kramer. Denn was das Oberlandesgericht zu tatsächlich veränderten Urkunden sagen würde, ist nicht klar. Deshalb die Devise, noch einmal: abwarten.
Denn das Asylverfahren von Djamileh B. ist noch nicht abgeschlossen. Auch im Umland gibt es ähnliche Fälle: In Bassum wird eine Iranerin seit Monaten von den Behörden wiederholt aufgefordert, sich mit Kopftuch fotografieren zu lassen. Noch ist es dort zu keiner Zwangsverfügung gekommen. Aber Karlsruhe könnte neue Maßstäbe setzen.
In Bayern dagegen scheint die Bremer Methode inzwischen Schule zu machen. Ein Sprecher der Innenbehörde in München erklärte gestern, es werde darüber nachgedacht, Iranerinnen auf den Fotos nachträglich per Computer mit Kopftuch auszustatten. Sozusagen als Alternative zur Polizeigewalt.
Mit Sorge betrachtet deshalb auch der Internationale Menschenrechtsverein in Bremen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. „Ich glaube nicht, dass die Bundesrepublik das Recht hat, Kopftücher aufzusetzen“, so Stefanie Wansleben. Sie hofft, dass sich das Verfassunggericht über das Iranische Recht stellen wird. Denn die Frauen, die hier sind, haben sich im Iran gegen den Tschador zu Wehr gesetzt, um ihn nicht letztendlich von der BRD übergestülpt zu bekommen.
Allerdings zeige die schnelle Befassung des Verfassungsgerichts, dass es das Anliegen der Anwältin gegen die Nürnberger Zwangsmaßnahmen für beachtenswert hält, erklärten gestern Prozessbeobachter. Bislang hatte außerdem zweimal ein Verwaltungsgericht das Tragen eines Kopftuches als „demonstratives religiöses Bekenntnis“ eingeschätzt. Damit wurde einer muslimischen Lehrerin in Baden-Württemburg zum Beispiel verboten, das Kopftuch zu tragen.
Sollte das höchste Gericht, Zwangsmaßnahmen verbieten, könnten die Iranerinnen möglicherweise aufatmen: Im Umkehrschluss hieße dies, Abschiebungen in den Iran ohne Kopftuchfoto wären nicht mehr möglich. Außer – so die Deutsche Presse Agentur – es würde über diplomatischen Weg versucht, Frauen auch ohne entsprechendes Bild in den Iran einreisen zu lassen. pipe/dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen