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Böse hat Chaosbehörde im Visier

■ Innenstaatsrat Kuno Böse will bei Soziales, Gesundheit und Polizei anklopfen: Geld und Kooperation sollen die Probleme im Ausländeramt lösen

taz: Die Kritik des Landesrechnungshofs am Ausländeramt und der vorgesetzten Innenbehörde ist harsch ausgefallen. In der Öffentlichkeit versteht niemand, wie die Misstände – akuter Personalmangel, umständliche Arbeitsorganisation – so lange anhalten konnten. Aber Sie können das sicher erklären?

Kuno Böhse: Ich verstehe das auch nicht. Ich habe schon lange bevor der Rechnungshof angefangen hat zu prüfen, im Zusammenhang mit der Beschlusslage zur Ermittlungsgruppe 19 („falsche Libanesen“, Anm. d. Red.) Fragen gestellt, da wir dem Senat dazu bis Jahresende berichtspflichtig sind und ich dort erhebliche Rückstände festgestellt habe. Daraufhin gab es erste Sitzungen über Veränderungen in der Ausländerbehörde, zumal auch Richter im Verwaltungsgericht kritisiert hatten, dass die Arbeit im Ausländeramt nicht schnell genug voranginge. Im Ausländeramt widerum saßen fünf Mitarbeiter regelwidrig über Jahre hinweg auf so genannten ZA-Stellen im Abschiebebereich, auf befristeten Stellen also, die den Ressorts zentral vom Finanzsenator zur Verfügung gestellt werden, bis diese Personen irgendwo eine feste Stelle bekommen. Nun haben die auf einmal alle andere Stellen bekommen, andere Mitarbeiter haben sich wegbeworben, der Leiter des Ausländeramts ist ausgeschieden. Ich habe – gegen Bedenken der Verwaltung – dafür gesorgt, dass wieder Stellen ausgeschrieben werden, obwohl Personalkosten eingespart werden müssen.

Also war die Problemlage bekannt, nur geschehen ist nicht genug?

Ich verspreche, das wird anders. Ich muss einräumen, dass die Kritik des Rechnungshofes in großen Teilen, nicht in allen, berechtigt ist. Beispielsweise ist die Zahl der Abschiebungen nicht gesunken, sie ist gleich geblieben.

Wer hat also Schuld am Debakel?

Ich kann mal so sagen: Vor rund zwei Jahren, also vor Schultes Zeit, hat der Senat einem Antrag der Sozialverwaltung zugestimmt, eine neue Kammer beim Verwaltungsgericht mit refinanzierten Stellen einzurichten, um die Vielzahl von Anträgen von Asylbewerbern, die Widerspruch gegen ihre Ablehnung eingelegt hatten, bearbeiten zu können. Weil der Berg dann weiterwandert in die Ausländerbehörde, hat auch das Innenressort einen Antrag auf Refinanzierung gestellt. Der wurde abgelehnt.

Die zwischen Sozial- und Innenbehörde vereinbarte Refinanzierung der Ermittlungsgruppe „Libanesen“ gilt dem Rechnungshof als vorbildlich. Allerdings soll das Geld nur fließen, wenn entsprechend viele Personen abgeschoben werden, das heißt aus dem Sozialhilfebezug fallen. Wird in der Gruppe effektiv genug gearbeitet, so dass tatsächlich das Geld aus Soziales fließt?

Bisher sind die Zahlen nicht ermutigend. Aber es ist zu erwarten, dass sich das verbessert. Die Mitarbeiter haben im September ihre Arbeit aufgenommen.

Der Rechnungshof schlägt vor, weitere Vereinbarungen zur Refinanzierung mit der Sozialbehörde zu treffen.

Jawoll. Das hatte ich schon geplant, bevor der Rechnungshofbericht kam.

Die Abschiebegruppe ist doch schon immer im Ausländeramt angesiedelt – und außerdem sinkt die Zahl der Asylbewerber. Wieso soll das von Soziales mitfinanziert werden?

Zwar ist die Zahl der Asylanträge nach dem Asylkompromiss gesunken. Aber wir haben immer mehr illegale Einreisen. Außerdem sind noch viele Bürgerkriegsflüchtlinge hier und von den abgelehnten Asylbewerbern sind vor allem die komplizierten und damit arbeitsintensiven Fälle geblieben. Es ist beispielsweise sehr aufwändig, die Herkunft einzelner Personen festzustellen, die wir zu den unterschiedlichen Botschaften oder Konsulaten fahren müssen, damit sie dort identifiziert werden.

Der Rechnungshof hat kritisiert, dass niemand den Überblick über die ausreisepflichtigen Fälle hat. Woher wissen Sie also, dass es viele komplizierte Fälle sind?

Weil das überall so ist. Aber es stimmt, dass das Datenverarbeitungssystem der Behörde erst ab Oktober ermöglicht, das Zählen zu beginnen.

Der Rechnungshof fordert auch verstärkte Kooperation mit anderen Bundesländern.

Das gibt es jetzt schon. Es gibt auch x Beschlüsse der Bundesinnenministerkonferenz dazu, aber man kann das noch intensivieren. Grundsätzlich muss aber auch der Bund aktiver werden. Das grüne Außenministerium oder das Entwicklungsministerium beispielsweise könnten durch ihr Einwirken die Bereitschaft der Länder erhöhen, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen.

Auch ärztliche Gutachten sollen dem Rechnungshof zufolge anders organisiert werden, weil oftmals, so wird beklagt, Krankheiten der Abschiebung entgegenstehen. Als eine Möglichkeit gilt, diese Aufgaben an private Dienstleister zu vergeben.

Ich möchte, dass das in staatlicher Hand bleibt, damit – bei Untersuchungen zur Haftfähigkeit und zur Reisefähigkeit – die Gleichbehandlung der Fälle gesichert ist. Das habe ich dem Polizeipräsidenten und der Ausländerbehörde geschrieben. Die zweite Stelle im polizeiärztlichen Dienst muss also wieder besetzt werden und für zusätzliche fachärztliche Dienste sollte das Gesundheitsamt zuständig sein.

Nun ist der Rechnungshof nicht die zuständige Instanz, um das Ausländeramt effektiv zu organisieren. Welche Vorhaben plant die Innenbehörde selbst?

Die Marschrichtung lautet: Ers-tens mit Ad-hoc Maßnahmen die Abschiebegruppe aus dem Ressort verstärken. Zweitens Anträge stellen für mehr refinanzierte Stellen durch Soziales. Drittens wird es Effizienzgewinne durch Datenverarbeitung geben, so dass Mitarbeiter aus anderen Bereichen frei werden. Viertens sind die übrigen von den Gutachtern Mummert&Partner vor zwei Jahren genannten Schritte jetzt schnell umzusetzen.

Fragen: Eva Rhode

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