: If I Ain`t Dead Already
Die Koreanerin Kim Gun-ja wurde drei Jahre lang täglich von japanischen Militärs vergewaltigt. Ihr Leben nach dem Krieg war das Warten auf eine Entschuldigung
TOKIO taz ■ „1942 wurde ich im Dreiländereck von Korea, China und Russland verschleppt“, sagt die 75-jährige Südkoreanerin Kim Gun-ja. Korea war damals eine japanische Kolonie, die nordostchinesische Mandschurei ein japanischer Marionettenstaat. „Ich war ein Waisenkind und damals 17 Jahre alt. Ich arbeitete als Hausmädchen bei einem koreanischen Polizisten, der mich mit einem Mann wegschickte. Dieser Mann brachte mich zum Bahnhof, wo schon viele Frauen warteten.“ Unter Drohungen seien Kim und die anderen Frauen nach Nordostchina verschleppt worden – in japanische Truppenbordelle.
Kim wird verlegen, ihre Stimme leiser: „Am Wochenende kamen immer sehr viele Soldaten. Wenn eine Frau sich weigerte, wurde sie geschlagen. Ich bin seitdem auf dem linken Ohr taub.“ Kim wurde in der Mandschurei drei Jahre lang täglich von japanischen Militärs vergewaltigt. „Es kamen über 20 Soldaten am Tag, nachts die Offiziere“, berichtet sie und sieht dabei auf den Teebeutel, den sie durch ihre Tasse zieht. Erst im Februar 1996, also fast 51 Jahre nach Kriegsende, sprach sie erstmals mit einer anderen Person über ihre schrecklichen Erlebnisse und offenbarte sich einer Sozialarbeiterin. Kim musste operiert werden, hatte jedoch kein Geld. Südkoreas Regierung hatte zuvor einen Fonds für ehemalige Zwangsprostituierte aufgelegt. Um sich operieren lassen zu können, musste sich Kim den Behörden offenbaren. „Meine Verwandten haben es aus dem Fernsehen erfahren“, sagt sie.
Seit zwei Jahren wohnt Kim mit zehn anderen ehemaligen Zwangsprostituierten im „Haus des Teilens“, einem aus Spenden errichteten Heim für die Opfer der sexuellen Gewalt des japanischen Militärs. Nach dem Krieg haben sie sich meist allein durchkämpfen müssen. Nur die wenigsten haben geheiratet, oft hielten die Ehen nicht lange.
Kim wohnt im ersten Stock des Hauses. Nach Landessitte hat ihr Zimmer weder Tisch, Bett noch Stuhl, sondern nur eine Art Futon, auf dem die alte Frau im Schneidersitz ihre Geschichte erzählt. An den Wänden hängen Kruzifixe und private Fotos. Die meisten sind jüngeren Datums und zeigen Frau Kim grauhaarig oder mit schwarz gefärbtem Haar mit Freundinnen oder im Kreis ihrer Kirchengruppe. Nur ein Foto zeigt sie in den 50er-Jahren. „Damals schlug ich mich mit dem Schwarzhandel amerikanischer Produkte durch“, berichtet Kim. Ihre Beziehungen mit Männern hätten nie lange Bestand gehabt. Wenn sie bei Vorstellungsgesprächen gefragt worden sei, warum sie einen Job suche und nicht heirate, sei ihr das immer sehr nahe gegangen. Zweimal habe sie versucht, sich mit Rattengift und Schlaftabletten das Leben zu nehmen.
Neben dem Haus des Teilens ist mit Spendengeldern das „Historische Museum für die sexuelle Sklaverei des japanischen Militärs“ errichtet worden. Tausend Besucher kommen pro Monat, darunter auch viele Japaner. Für Kim sind die Besucher aus dem Land der Täter eine Belastung: „Die jungen Japaner sind ja nicht schuldig, aber ich fühle mich nicht sehr wohl, wenn überhaupt Japaner hier sind, ich gehe dann nicht raus.“ Als sie dies berichtet, ist es Ende Oktober.
Kim ist eine der koreanischen Frauen, die vor dem Tribunal in Tokio aussagen wollten. Für sie wäre es die erste Reise nach Japan. Die fällt nicht leicht. „Ich fühle mich schwach, doch ich möchte nicht ohne offizielle Entschuldigung der japanischen Regierung sterben“, sagt sie, erbost darüber, dass sich Japans Regierung hinter einer privaten Stiftung versteckt, um die Frauen rechtlich unverbindlich zu entschädigen. „Es geht mir nicht um das Geld“, sagt Kim. „Mein Leben ist geopfert worden, ich will, dass es bekannt wird und die japanischen Schulbücher die Wahrheit erzählen.“
Doch das Tribunal in Tokio findet ohne Kim statt. Ihre Gesundheit ließ eine Reise nach Tokio nicht zu. SVEN HANSEN
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen