: Schwarze beanstanden das Urteil
Die afroamerikanischen Wähler in den USA fühlen sich durch das Urteil des Verfassungsgerichts um ihre Stimmen betrogen. Der schwarze Bürgerrechtler Jesse Jackson will sich nicht zufrieden geben
BERLIN taz/afp ■ Der schwarze Bürgerrechtler Jesse Jackson rief Al Gore noch gestern auf, im Rennen um das Amt des US-Präsidenten nicht aufzugeben. Er widersprach damit dem Generalsekretär der Demokratischen Partei, Ed Rendell, der Gore im Anschluss an das Urteil des Verfassungsgerichts aufgefordert hatte, seine Niederlage einzugestehen. Wie die Nachrichtenagentur AFP meldet, bezeichnete Jackson das Urteil des Verfassungsgerichts als „ideologisch motiviert“, es entziehe den „Amerikanern ihre Bürgerrechte“. Er forderte Gore auf, „alle Mittel zu nutzen“. Gleichzeitig kündigte er gegenüber der Nachrichtenagentur AP an, dass seine Rainbow/Push-Vereinigung für Bürgerrechte die umstrittenen Wahlzettel in Florida selbst zählen wolle. Dies solle noch vor dem Amtsantritt des neuen Präsidenten am 20. Januar beweisen, „dass Gore die meisten Stimmen erhielt“.
Die schwarze Bevölkerung in den USA sieht sich durch die chaotischen Verhältnisse bei den Wahlen besonders benachteiligt. Vor allem in Florida seien viele Stimmen schwarzer Wähler verloren gegangen. Wie die Nationale Vereinigung für den Fortschritt der Farbigen (NAACP) erklärte, seien Wahllokale vorzeitig geschlossen worden, in anderen Wahllokalen seien schwarzen Wählern Erläuterungen verweigert worden. Rund 8.000 Schwarze seien zudem wegen angeblicher Vorstrafen von der Wahl ausgeschlossen worden.
Wie die New York Times berichtet, wurden veraltete Wahlgeräte bevorzugt in Wahlbezirken mit vorwiegend schwarzer Bevölkerung eingesetzt, wodurch Stimmen unlesbar geworden seien. Bürgerrechtler sehen in diesen Vorgängen Wahlbetrug und Verfassungsbruch. Sie fordern von Justizministerin Janet Reno eine Untersuchung der Vorgänge. Besondere Brisanz erhalten die Vorwürfe durch das Wahlverhalten der Afroamerikaner: Wie die Washington Post berichtete, stimmten nach Wählerbefragungen 93 Prozent der schwarzen Wähler in Florida für Gore.
Unter diesen Umständen dürfte es Bush schwer fallen, als Präsident den Diskriminierungsvorwurf loszuwerden, da die Wahlen in Florida höchstwahrscheinlich zu Gores Gunsten ausgegangen wären, wenn alle abgegebenen Stimmen gewertet worden wären. Es verbreite sich jetzt in der schwarzen Bevölkerung der Eindruck, „dass diese Wahl gestohlen wurde“, wie David A. Bositis, Spezialist für den Konflikt zwischen Schwarzen und Weißen in den USA, laut AFP feststellte.
Die Washington Post meldete, dass Bush zwei Afroamerikanern die Außenpolitik der USA überantworten will: Der ehemalige Generalstabschef Collin Powell soll US-Außenminister, die Professorin Condoleezza Rice Nationale Sicherheitsberaterin werden. Afroamerikanische Politiker der Demokraten haben dies bereits als rein symbolische Maßnahmen bewertet. Die Republikaner, so David A. Bositis zu AFP, seien sich zwar bewusst, dass der Präsidentschaftsstreit das Potenzial einer „Atombombe“ habe. Jedoch sei abzuwarten, ob sie in der Lage sind, diese Bombe auch zu entschärfen. FALKO MÜLLER
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