„Kinder sind wie Haie“

■ Der Bremer Kinderbuchautor Will Gmehling schreibt von Wölfen und Yetis. Er erzählt, was passiert, wenn er sich beim Schreiben überraschen lässt

Manchmal würde es ihn schon reizen, seine Kundschaft mit Haut und Haaren aufzufressen, den großen Wolf in Will Gmehlings Kinderbuch „TierTaxi Wolf & Co“. Aber gleich zu Beginn der Geschichte hat er versprochen, niemanden, der mit seiner Taxe fahren will, zu beißen – sei es eine Pudeldame, ein Igel, ein Storch oder ein Goldfisch. In allen drei bisher fertig geschriebenen Büchern des Bremer Kinderbuchautors gibt es solch einen doch eher grimmig-ruppigen Helden: Figuren, die „eigentlich nicht gut sind, denn die Kinder sind ja auch nicht gut“. Für Gmehling sind Kinder „wie Haie, jenseits von gut und schlecht, und deshalb wollen die nicht nur Kuscheltiere, und deshalb verstehen die auch gut, wenn ein Tier mal beißt“. So erklärt es der sehr freundliche und sanfte Autor, der nun gar nichts von einem Wolf oder Hai an sich hat. Er erfindet gern Figuren, die „absonderlich“ sind. In seinem zweiten Buch, das im Frühjahr erscheinen wird, ist es ein Yeti, der hört, dass man nicht an ihn glaubt. Empört reist er nach Berlin und trifft dort auf einen berühmten Bergsteiger. Der Held des dritten Buchs ist schließlich ein Hai „der ganz schlecht ist, und auch schlecht bleibt!“

Zu Harry Potters phänomenalem Erfolg fällt Gmehling nicht viel ein. 30 Seiten hat er gelesen und „sehr gut“ gefunden, aber davon abgucken wird er ganz bestimmt nicht. Will Gmehling will seine Bücher „nicht strategisch anlegen“ und macht den Eindruck, als würde er sie zu allererst für sich selbst schreiben. Vorher hatte er Lyrik verfasst, dann zehn Jahre lang gemalt und seine Bilder auch ein paar Mal ausgestellt. Aber als er vor sechs Jahren erfuhr, dass er bald zum ersten Mal Vater würde, entschloss er sich, Kinderbücher zu verfassen. Rein materiell gesehen war das sicher kein geschickter Karrierezug: Die Konkurrenz ist groß, die Auflagen klein und die Tantiemen gering. Als Brotjob gibt Will Gmehling Französischunterricht für Erwachsene, aber er hat bisher mit „TierTaxi & Co“ zumindest ein wunderschönes, poetisches und witziges Kinderbuch veröffentlicht.

Ganz und gar unpädagogisch und ohne sich etwa durch einen nachgeahmten Jugendslang bei den Kindern anzubiedern, erzählt er da eine märchenhafte Geschichte, in der Tiere und Kinder zu wirklichen Freunden werden. Sie ist so phantasievoll gesponnen, dass man unmöglich vorhersehen kann, wie es weitergeht und welches Tier als nächstes in das Tiertaxi einsteigen will. Gmehling sagt von sich, dass er selbst beim Schreiben überrascht werden will – deshalb ändert er auch von Buch zu Buch den Stil und das Personal. Das zweite Buch ist nicht mehr in einer reinen Phantasiewelt angesiedelt, und wenn man nur ein wenig an den Yeti glaubt, dann ist die Geschichte durchaus möglich und realistisch. In der dritten Geschichte sprechen schließlich die Tiere nicht mehr, „weil Haie nicht sprechen können“. Nur einer flüstert einmal „Schade“.

Die Feuerprobe für Kinderbuchautoren ist natürlich das Vorlesen. „Kinder sind schlauer als man denkt und lassen einen sehr deutlich merken, was sie von einem Text halten“, sagt Will Gmehling und nennt zugleich diese Lesungen in Buchläden, Bibliotheken und Schulen vor 50 bis 100 Kindern sein „Paradies“. Da sind er und sein Publikum ganz „im Hier und Jetzt“. Da sagt ein Kind hinterher schon mal zu ihm „Ich hab dich lieb“, und nebenbei ist es auch eine der wenigen Möglichkeiten, in diesem Metier tatsächlich Geld zu verdienen. Am Zweitliebsten scheint der Autor mit seinem Sudelheft auf dem Spielplatz, im Café oder auf der Terrasse zu sitzen und zu schreiben. In eine möglichst hässliche, fettige Kladde, ganz so, wie man sich einen Poeten in einem Kinderbuch vorstellen würde. Und wenn ihm in den letzten Wochen nichts mehr eingefallen ist („schrecklich!!“), dann liegt das vielleicht schlicht am Wetter, das solcher Arbeitsmethode zurzeit entgegensteht. Aber auf seine nächsten zwei Werke über Yeti und Hai kann man sich ja noch freuen, und der Autor macht den Eindruck, als wäre seine Schreibblockade schlicht durch ein wenig Sonne oder eine Fahrt im Tiertaxi zu beheben. Wilfried Hippen