Reiche kriegen keine Kinder oder: Kinder machen arm

■ PolitikerInnen von SPD, CDU und Grünen unter Beschuss der SchülerInnen im Schulzentrum Walliser Straße

Henning Scherf kommt wieder und bringt ein paar Professoren mit. Das hat der Bürgermeister angekündigt, als ihm die SchülerInnen im Schulzentrum Walliser Straße gestern nicht glauben wollten, dass Arbeitnehmer mitunter weniger Geld bekommen als Sozialhilfeempfänger. Es ging um Kinderarmut, um Sozialhilfe, um Tenever. Die Wirtschaftskurse der elften Klassen hatten ein großes Projekt dazu absolviert (die taz berichtete). Gestern war Diskussionszeit. Mit Scherf, mit der Grünen Karoline Linnert und Claas Rohmeyer von der CDU.

Kinder sind arm – in Tenever lebt fast jeder zweite Mensch unter 18 Jahre von Sozialhilfe – und Kinder machen arm, daran ist auch die Politik schuld. Die Argumente dafür hatten die SchülerInnen erarbeitet und hielten sie jetzt den PolitikerInnen vor. Arbeit und Bildung, predigte Henning Scherf, seien die Wege aus der Armut. Und die Gesellschaft stecke in einer Sackgasse: je mehr Wohlstand, desto geringer die Bereitschaft, diesen mit Kindern zu teilen. Die Reichen, schimpfte Scherf, „verlassen sich fröhlich darauf, dass irgendwelche Arme Kinder in die Welt setzen, die später die Rente bezahlen.“ Damit traf er zwar den Nerv, aber einlullen ließen sich die Jugendlichen nicht. Das Statement könne man ja auch umdrehen, befand einer: „Kinder machen nun mal arm.“ Und: „Sie betreiben keine Familienpolitik.“

Karoline Linnert, die mit Statements wie „gerechte Verteilung des Reichtums“ oder mit grünen Konzepten wie vermehrte und ungefilterte Einwanderung ohnehin den Beifall auf ihrer Seite hatte, erklärte in Richtung Scherf: „Jeder Sozialhilfeempfänger, der nicht zum Sozialamt kommt, ist ein Erfolg für die große Koalition. Das ist nicht so. Wir müssen den Leuten Mut machen zu kommen.“ Wozu Claas Rohmeyer nur sagte: „Jeder Sozialhilfeempfänger will arbeiten, denke ich.“ Aber zur Kinderarmut befand er: „Es kommt ja immer auch so rüber, dass Kinder auch im geis-tigen Sinne arm machen.“ Was ja nicht stimme. Und: „Es spielt ja auch die Emanzipierung der Frau eine Rolle. Aber die „drei Ks“ – Kinder, Küche, Kirche – seien nun mal nicht mehr gültig, Kinderkriegen nicht mehr weiblicher Hauptberuf. „Worüber ich froh bin“, rief er in das anschwellende Gemurre.

Später dann, als alles vorbei ist, in der Straßenbahn: Drei Mädchen sinnieren über die „drei Ks“. „Was war das nochmal?“, fragt die eine. „Kinder, Küche“, sagt die andere, „und was war das dritte K?“ Schweigen. Dann die Dritte: „Karriere?“

Susanne Gieffers