: Kohls Stasi-Akte wegsperren?JA
Opferschutz ist wichtiger als Informationsinteresse, sagt Rechtsanwalt STEPHAN HOLTHOFF-PFÖRTNER in einem Exklusivbeitrag für die taz. Er vertritt Kohl.
Die Diskussion der letzten Tage vernachlässigt beziehungsweise ignoriert eine entscheidende Tatsache: Es geht bei der Diskussion um die mögliche Herausgabe beziehungsweise Veröffentlichung von Stasi-Unterlagen vor allem um die Frage des Opferschutzes – der nach dem Stasi-Unterlagen-Gesetz absoluten Vorrang hat – und nicht um die Frage, ob jetzt – gut 10 Jahre nach der deutschen Einheit – eine neue „Mauer der Ungleichbehandlung“ zwischen West und Ost von Politikern der alten Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik aufgebaut werden soll. Im Gegenteil: Es soll bei der bisherigen Gleichbehandlung bleiben.
Bei allen bisher legal veröffentlichten Unterlagen des beziehungsweise der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR – sei es über Personen der alten oder der neuen Bundesländer – handelte es sich um Täterunterlagen, denen nach diesem Gesetz kein besonderer Schutz zusteht.
Eines der drei Ziele des Stasi-Unterlagen-Gesetzes ist der Opferschutz. Die Opfer sollen erfahren, was der Staatssicherheitsdienst mit ihnen angestellt hat. Sie sollen jedoch nicht durch eine Herausgabe der rechtswidrig erlangten Unterlagen an Dritte oder eine Veröffentlichung ein weiteres Mal in ihren Rechten verletzt werden. Die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes ist ein weiteres Ziel und bedeutet die Aufarbeitung der zusammenspionierten Unterlagen als Unrecht des Staatssicherheitsdienstes, nicht aber die Aufarbeitung der Tätigkeit derer, die vom Staatssicherheitsdienst illegal ausgeforscht wurden. Die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes sind unter schwerwiegender Verletzung der Menschenwürde zustande gekommen und bedürfen, wenn sie nicht sofort vernichtet werden, im Interesse der Opfer des besonderen Schutzes des Staates.
Nach dem Zusammenbruch der DDR war es eine Zeit lang umstritten, ob die Stasi-Unterlagen überhaupt noch weiter aufbewahrt oder vollständig vernichtet werden sollten. Der Druck der Stasi-Opfer und der Bürgerrechtsbewegung führte schließlich dazu, dass sich die Auffassung durchsetzte, man müsse die Unterlagen archivieren, um die Machenschaften der Stasi aufzuklären, die Opfer zu rehabilitieren und die Täter zu bestrafen, wobei der Persönlichkeitsschutz des Opfers im Konfliktfall der Ziele in den Mittelpunkt zu stellen sei.
Dem trägt das Stasi-Unterlagen-Gesetz dadurch Rechnung, dass personenbezogene Informationen über Personen der Zeitgeschichte von der Bundesbeauftragten für Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR nur zur Verfügung gestellt bzw. zugänglich gemacht und auch nur veröffentlicht werden dürfen, „soweit sie nicht Betroffene oder Dritte sind“. (Vgl. § 32 Absatz 3 Ziffer 2 StUG).
Betroffene sind gemäß der Definition des § 6 Abs. 3 Satz 1 StUG „Personen, zu denen der Staatssicherheitsdienst aufgrund zielgerichteter Informationserhebung oder Ausspähung einschließlich heimlicher Informationserhebung Informationen gesammelt hat“. Das bedeutet, dass die Person, die das Ziel der Abhörmaßnahme war, immer Betroffener im Sinne des Stasi-Unterlagen-Gesetzes und damit Opfer ist.
Damit legt das Gesetz einen absoluten Vorrang des Persönlichkeitsschutzes von Opfern vor dem Informationsinteresse fest.
Nach allem muss es bei der bisher geübten Praxis der Gauck-Behörde bleiben, die dem eindeutigen Gesetzeswortlaut entspricht. Opferakten werden nicht veröffentlicht, da der Opferschutz Vorrang hat.
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