: Polizisten handeln mit beschlagnahmtem Gras
Zwei Beamte stehen wegen Drogenhandels vor Gericht. Sie haben Wohnungen durchsucht, um dabei gefundenes Marihuana später zu verkaufen
Schon oft haben Polizisten im Kriminalgericht Moabit wegen Amtsvergehen vor Gericht gestanden. Aber das, was den beiden Polizeimeistern Eniss B. und Oliver K. vorgeworfen wird, stellt vieles andere in den Schatten. Die Beamten sollen sich mit ihren Dienstmarken Zutritt zu Wohnungen verschafft haben, um diese nach Drogen zu durchsuchen. Drogenfunde sollen sie jedoch nicht angezeigt, sondern gewinnbringend verkauft haben.
Seit gestern müssen sich die beiden und ein mit angeklagter Gartenbauhelfer wegen Drogenhandels, Diebstahls, Raubs und Hehlerei vor Gericht verantworten. Die Polizisten sitzen seit über einem halben Jahr in Untersuchungshaft, bekommen aber weiterhin 60 Prozent ihrer Bezüge, weil sie bisher nur vom Dienst suspendiert sind.
Einsicht oder gar Reue war gestern nicht spürbar. Eniss B. (26) räumte ein, an zwei fingierten Durchsuchungen teilgenommen zu haben. Er will dazu überredet worden sein. „Das ist passiert, ich kann es nicht mehr rückgängig machen.“ Man habe die Wohnungen nach Marihuana durchsucht, um dieses zu verkaufen. „Wir sind in Zivil reingegangen, haben gesagt: ‚Polizei!‘, und unsere Dienstmarken vorgezeigt.“ Auf Widerstand seien sie nicht gestoßen. Im ersten Fall sollen die Angeklagten eine Playstation und 200 Gramm Speed mitgenommen haben. Im zweiten Fall drei Computerspiele. „Das mit dem Speed ist gelogen“, sagte Eniss B. gestern. Zum eigenen Drogenkonsum meinte er: „Ich habe ein- bis zweimal am Joint gezogen, mehr nicht.“
Sein Kollege Oliver K. (27) sagte, er habe LSD und Ecstasy genommen, damit seine Hemmschwelle sinke. Er habe große finanzielle Probleme gehabt, weil ihn seine Frau verlassen habe. Zusammen mit einem Drogenabhängigen soll er auch in Diskotheken Jacken geklaut haben. Für den Fall, dass der Komplize erwischt würde, soll er ihm versichert haben: „Ich hole dich mit meinem Dienstausweis schon raus.“ K. bestreitet dies.
Ob es gelingen wird, die Vorwürfe in vollem Umfang nachzuweisen, erschien gestern fraglich. Ein Hauptbelastungszeuge aus dem Drogenmilieu verstrickte sich in erhebliche Widersprüche. Und der Mieter, bei dem die Playstation mitgenommen worden sein soll, sagte, das treffe nicht zu. Das Gerät stehe seit Ewigkeiten bei ihm zu Hause. Der Staatsanwalt dazu fassungslos: „Und warum geben die Angeklagten das dann zu?“
Auf die Spur der Beamten war die Kripo durch einen Drogenabhängigen gekommen, der ausgesagt hatte, von Polizisten Rauschgift gekauft zu haben. BGS-Beamte, die dem Prozess gestern im Rahmen einer Fortbildung zuschauten, zeigten sich vom Auftreten der Polizisten entsetzt: „Dummdreist“ und „untragbar“ lauteten die Kommentare. Der Prozess wird Montag fortgesetzt.
PLUTONIA PLARRE
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