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Halluzinationen in Grün

■ Die Grüne Jugend fordert das Ende von Spaßverboten und meint damit die Freigabe von ziemlich vielen Drogen / Schwarz-Grün ist für die Jugend nur ein schlechter Trip

„Ey, lass mich auch noch mal ziehen.“ – Wenn dereinst Jens Eckhoff und Klaus Möhle auf'm Sofa sitzen und sich um den letzten Joint des Abends streiten, dann ist nicht nur der lauter werdende Wunsch nach einer schwarz-grünen Koalition Wahrheit geworden sondern auch die Utopie der grünen Jugend, die zurzeit auf Faltblättern für die „Aufhebung von Spaßverboten“ votiert.

Gegen das Haschisch-Verbot zum Beispiel: „Wer kennt das nicht – da möchte man eine nette Tüte rauchen, aber niemand hat Dope dabei. Der Grund: Wer zur Butterfahrt nach Groningen wollte, hätte am Samstagmorgen um 6 Uhr früh am Busbahnhof sein müssen“, schreiben die jungen Wilden auf einem von fünf bunten Zetteln, die hauptsächlich im Viertel an ein- schlägigen Orten verteilt werden. Statt Butterfahrten ins benachbarte Nirwana schlagen die Grünen vor, auch hierzulande „Drogenfachgeschäfte“ einzurichten, in denen Interessierte zwischen „diversen Leckereien frei auswählen können – ohne Stress und zu vernünftigen Preisen.“ Zu den „Leckereien“ zählen nach Ansicht der Grünen Jugend auch „LSD, Pilze und Co.“ und Ecstasy sowieso.

Bei der „elder generation“ der Grünen hat man für so manches Verständnis. Dafür zum Beispiel, „dass Jugendliche Grenzen verschieben möchten“, sagt Klaus Möhle (48) vom grünen Landesvorstand, der sich selbst „eine gewisse Lebenserfahrung“ attestiert. Und die lässt ihn mit der Jugend gemeinsam die Legalisierung von Haschisch fordern. Bei den Partydrogen ist das anders: „Die halte ich für richtig gefährlich“. Dass also die Idee der Jugendlichen, Drugstores einzurichten, in denen, so die Jugendforderung, „exklusive Beratung zu Gebrauch und Risiken“ stattfindet, hält Möhle für „nicht wirklich tragfähig“.

Tobt also ein Generationenkampf bei den Grünen? Jan Fries (19), Jugendgrüner und ebenfalls im Landesvorstand, verneint, findet aber, die (ausgewachsenen) Grünen sollten mutiger werden: “Je länger die Politik machen, desto vorsichtiger werden sie. Wenn die Legalisierung fordern würden, hätten sie Angst, dass am nächsten Tag in der Bildzeitung steht „Grüne für Volksvergiftung", glaubt er. Dabei müsse man mit den Gesetzen und auch mit der Aufklärungsarbeit ran „an die wirklichen Verhältnisse“. Und die sehen im Fall von Ecstasy etwa so aus, dass rund zwei Millionen Menschen die Droge trotz des Verbots konsumieren. Nur sind diese Pillen zum größten Teil illegal produziert und daher sowohl in ihrer Zusammensetzung als auch in ihrer Wirkung nicht kontrollierbar. Hinter den Drogenverboten stünde immer noch „die Vorstellung einer drogenfreien Gesellschaft“, und auch Aufklärung arbeite in erster Linie mit der „Verteufelung von Drogen“. „Aber was soll denn ein Jugendlicher denken, wenn er dann mal 'ne Droge ausprobiert, und es ist wider Erwarten ganz nett?“, fragt sich Jan Fries.

„Angst ist keine gute Leitlinie in der Drogenpolitik“, findet auch Möhle, aber die grünen Vorschläge dazu seien ja auch eines anderen, liberaleren Geistes Kind. Im Parteiprogramm der Grünen steht zum Beispiel, dass Cannabis legalisiert werden soll. Jan Fries aber argwöhnt: „Das ist das Erste, was bei Koalitionsverhandlungen rausfliegt.“ A propos Koalitionsverhandlungen. Macht den Jugendlichen die Aufhebung des schwarz-grünen Denkverbots in Bremen eigentlich zu schaffen oder sehen sie diesem garantiert drogenfreien Bündnis gelassen entgegen? „Die überwiegende Mehrheit sieht die Gemeinsamkeiten nicht“, sagt Fries, aber einen Sturm der Entrüs- tung habe es dennoch nicht gegeben, als CDU und Grüne vor kurzem auf Tuchfühlung gegangen sind. „Aber vielleicht fehlt uns einfach die Phantasie, uns das wirklich vorzustellen.“ Manchmal ist die Wirklichkeit eben härter als die Halluzinationen.

hey

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