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Nagelprobe für George Bush

Die Debatte um den designierten Justizminister John Ashcroft verspricht zur härtesten Auseinandersetzung im US-Senat zu werden. Durch extreme Positionen hat er die Meinungen polarisiert und viele Gruppen gegen sich aufgebracht

aus Washington STEFAN SCHAAF

Die Anhörungen über die Nominierung des erzkonservativen, tief religiösen Exsenators John Ashcroft zum Justizminister, die heute im US-Senat beginnen, versprechen für George W. Bush zur harten Probe zu werden. Ist John Ashcroft „ein Ehrenmann“, der an „Recht und Gesetz glaubt“, wie der republikanische Senatsführer Trent Lott versichert, oder wird er die Rechte von Frauen und Minderheiten „in aggressiver Form untergraben“, wie Senator Edward Kennedy von den Demokraten befürchtet.

John Ashcroft, der im November die Senatswahl in Missouri knapp gegen den kurz zuvor tödlich verunglückten Gouverneur Mel Carnahan verloren hatte, ist die kontroverseste Wahl Bushs für sein Kabinett. Christliche Fundamentalisten hatten Bush gedrängt, einen der Ihren für dieses zentrale Regierungsamt zu berufen. Sollte Ashcroft bestätigt werden, woran letztlich kaum jemand zweifelt, steht er einer Justizbürokratie von 85.000 Angestellten vor und ist der oberste Rechtsvertreter der Bundesregierung. Er entscheidet, ob und mit welchen Standpunkten diese in Fälle vor dem Obersten Bundesgericht eingreift, er entscheidet, wie Washington mit den Gefangenen umgeht, die von Bundesgerichten zum Tode verurteilt wurden.

Ashcroft hat als Justizminister und Gouverneur von Missouri und später als Senator des Bundesstaates klare Positionen bezogen. Er lehnt das Recht auf Abtreibung kategorisch ab und hat sich im Senat für ein in der Verfassung verankertes Verbot des Schwangerschaftsabbruchs ausgesprochen. Als Gouverneur unterzeichnete er ein Gesetz, das in Missouri jegliche Abtreibung in öffentlichen Kliniken verbietet. Seine christlichen Unterstützer erwarten von ihm, dass er letztlich das grundlegende Urteil des Supreme Court in dieser Frage, Roe v. Wade von 1972, zu Fall bringt. Sie hoffen darauf, dass Ashcroft die erste Wahl George Bushs sein wird, falls demnächst am Obersten Bundesgericht ein Sitz frei werden sollte. Die Regierung müsse der Moral per Gesetz Geltung verschaffen, sagte Ashcroft, und er lehnt Homosexualität ebenso ab wie Pornografie, die Verteilung sauberer Spritzen an Drogenabhängige, staatliche Kunstförderung oder die Vereinten Nationen.

Ashcroft hat sich gegen jede Schusswaffenkontrolle ausgesprochen, selbst gegen ein Verbot von Sturmfeuerwaffen, das unter Clinton beschlossen wurde. Er lehnt „affirmative action“, ausgleichende Maßnahmen zugunsten von Frauen und Minderheiten, ab. Er hat sich gegen die Anti-Trust-Gesetze ausgesprochen – und wird wahrscheinlich das Verfahren gegen Microsoft rasch beenden –, ebenso gegen Regelungen, die die Bergwerks-, Energie- und Holzindustrie im Westen der USA einschränken.

Doch Ashcrofts hartnäckigste Gegner findet man unter Afroamerikanern und Bürgerrechtsgruppen. Seine Gegner aus der Demokratischen Partei haben für Donnerstag den Richter Ronnie White, einen Afroamerikaner, als Zeugen geladen, dessen Berufung an den Supreme Court von Missouri Ashcroft verhinderte und der nur durch das Eingreifen Bill Clintons ins Amt kam. Ashcroft begründete seine Haltung damit, White habe als Richter zu wenig Todesurteile bestätigt. In Missouri erinnert man sich auch daran, dass Ashcroft dort als Justizminister verhinderte, dass die Rassentrennung in den Schulen der Großstädte St. Louis und Kansas City aufgehoben wurde.

„Wir brauchen jetzt jemanden, der die Trennungen überwindet“, kommentierte am Sonntag die liberale demokratische Senatorin Barbara Boxer. „Doch er ist ein Extremist und kein Versöhner.“ Der nationale Verband der Strafverteidiger nannte Ashcrofts Haltung in Fragen der Strafjustiz „Demagogie und Opportunismus“.

Unter seinen ehemaligen Senatskollegen hat Ashcroft viele Freunde. Auch wenn er dort stets mit den Ultras votierte, so stimmte er selten in ihr Geheul ein. Vor allem deshalb, so scheint es, werden die USA mit Justizminister John Ashcroft leben müssen.

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