Helm ab

Als Zeuge hat Minister Joschka Fischer im Prozess gegen den mutmaßlichen TerroristenHans-Joachim Klein nicht viel beizutragen. Das stört auch nicht – denn das Interesse gilt nur ihm

BERLIN taz ■ Bundesaußenminister Joschka Fischer hat sich gestern im Frankfurter Opec-Prozess erneut von seiner militanten Vergangenheit distanziert: „Was wir damals getan haben, das war Unrecht“, erklärte er im überfüllten Gerichtssaal. Fischer redete viel über sich und wie die von ihm ausgeübte Gewalt der frühen Siebzigerjahre historisch einzuordnen sei. Kein Wunder. Denn spätestens seit der Veröffentlichung der Prügel-Fotos im Stern vom 4. Januar war klar, dass der Vizekanzler im Prozess gegen den vermutlichen Opec-Attentäter Hans-Joachim Klein nicht mehr nur als Zeuge, sondern auch als Täter, ja beinahe schon als Angeklagter auftreten muss.

Tatsächlich interessierten Fischers gestrige Aussagen zu Klein die Öffentlichkeit nur am Rande. Die Aufmerksamkeit galt den Fragen: Schafft es Fischer, den öffentlichen Druck auf seine Person zu verringern? Welche neuen Erklärungen bietet er für die Militanz seiner frühen Jahren noch an? Und welchen Nektar saugt daraus die Opposition?

Wer auf neue sensationelle Enthüllungen zu Fischer, Molotowcocktails oder Pistolen hoffte, der wurde enttäuscht. Wie sollte es auch anders sein? Weder gelang es der Opposition bislang, neue Erkenntnisse über den militanten Joschka Fischer der 70er-Jahre vorzutragen, noch waren die Dutzende von Journalisten erfolgreich, die seit Monaten jeden Stein im ehemaligen Frankfurter Spontimilieu umdrehen, um darunter neue Spuren der militanten Vergangenheit des Vizekanzlers zu finden.

So geriet der gestrige Prozesstag zu einer Fischer-Geschichtsstunde zum Thema: Wie wir wurden, was wir waren. „Die Putztruppe“, die bei Demonstrationen gewalttätig geworden war, so Fischer, sei nötig gewesen, weil „man sich in die Lage versetzen konnte, sich zu verteidigen“. Rückblickend sehe er diese Gewaltbereitschaft als „Grundfehler, denn wir hatten den Charakter des Staates verzerrt gesehen, nämlich nur aus der Opferperspektive“. Verantwortlich für die Militanz der Szene allerdings, so Fischer weiter, sei aber das damalige politische und gesellschaftliche Klima gewesen. Nach Fischer hätte seine und auch die Biografie Kleins völlig anders ausgesehen, wenn die Täter-Väter zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Worte gefunden hätten: „Hätte Richard von Weizsäcker seine Rede von 1985 bereits 1965 gehalten, dann säßen wir uns heute hier nicht gegenüber.“ Weizsäcker sprach damals vom 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus und nicht mehr von dem „Zusammenbruch“, gleichzeitig räumte er die Schuld seiner Generation am Nationalsozialismus offen ein.

Obgleich alle Vorwürfe gegen Fischer seit Jahren auf dem Tisch liegen, versucht die Opposition weiterhin Kapital aus der Mediengeschichte „Der Fischer und sein Helm“ zu ziehen. Heute wird sich der Bundestag in einer aktuellen Stunde mit dem Thema befassen. Die Unions-Fraktion und die FDP prüfen die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Jörg van Esser, forderte: „Der Minister muss alle Fakten über seine Zeit in der Spontiszene auf den Tisch legen.“ Und fügte hinzu: „Wir können keinen angeschlagenen Außenminister brauchen.“

Schwere Vorwürfe erhob gestern der Generalsekretär des Zentralsverbandes des Deutschen Handwerks, Hanns-Eberhard Schleyer, Sohn des 1977 von RAF-Terroristen ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Fischer sei „mitschuldig für das, was sich in den 70er-Jahren in dieser Republik zugetragen hat“. EBERHARD SEIDEL

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