: Oratorium für die Ermordeten
■ Michael Batz und Stefan Romeyan gestalten Gedenkveranstaltungen für im Holocaust ermordete Sinti und Roma
Gefunden hat Michael Batz die Namen in einem Wust aus Akten: Bei den Vorarbeiten zur Holocaust-Gedenkfeier vom vergangenen Jahr, als es um die Versteigerung beweglichen jüdischen Eigentums ging. Ein immer noch nicht ganz aufgearbeitetes Kapitel, wie Michael Batz betont, der auch den diesjährigen Gedenkabend mit dem Titel Pempe, Albine und das ewige Leben der Roma und Sinti konzipiert hat, der dem Schicksal der in sämtlichen Mahnmals- und Zwangsarbeiterentschädigungsdiskussionen außer Acht gelassenen Sinti und Roma gewidmet ist.
Den Musiker Stefan Romeyan, „einem der ersten, der nicht nur mündlich tradierte herkömmliche Roma-Musik produziert, sondern der systematisch am Computer komponiert“, hat er gebeten, ein Oratorium zum Gedenken der ermordeten Sinti und Roma zu schreiben, das ein 25köpfiges Ensemble aufführen wird – Sinti und Roma gemeinsam, wie Batz betont, „eine Konstellation, die aufgrund der Verschiedenartigkeit dieser Gruppen nicht selbstverständlich ist.“
Die Geschichte der in den Versteigerungsakten gefundenen Sintifrau Albine Weiss und des Rom Walter Pempe will das Oratorium nacherzählen, den Weg von der Hamburger Niemanstraße (irgendwer habe daraus, so Batz, in den Akten handschriftlich „Niemandstraße“ gemacht), nach Auschwitz nachzeichnen – den Weg auch des berüchtigten Arztes Mengele, den Bartz in seinen von je einem Sinti- und einem Rom-Sprecher vorgetragenen Zwischentexten zum Thema machen wird. „Denn immer noch unerforscht ist, welche Forschungsanstalten sich an den makaberen genetischen Experimenten Mengeles bereicherten“, so Batz.
Ob die Aussparung der Sinti und Roma aus Mahnmals- und Entschädigungsdiskussionen ein Zeichen zeitgenössischen Rassismus sei? „Ich glaube ja“, sagt Batz. Denn es sei sehr leicht, diese Gruppen zu übergehen, ohne dass sich öffentlicher Protest erhebe, bequem sei es für Großkonzerne, sich an Zahlungsverpflichtungen vorbeizulavieren. Doch abgesehen davon, dass der Erlös der Veranstaltungen an Nevo Kher, den Kulturverein der Roma und Sinti in Hamburg geht, sind dies Themen für künftiges Engagement: Die beiden aktuellen Gedenkveranstaltungen – „wir haben schließlich nur je eine Stunde zur Verfügung“ – sind allein dem Totengedenken verpflichtet: Das Oratorium für Instrumente und Chor soll, so Batz, eine Trauermusik sein, die die Stile der Sinti und der Rom vereint und die Toten würdig zu begraben sucht. Petra Schellen
Gedenkveranstaltungen: 25.1., 19 Uhr, Hamburger Rathaus
27.1., 15.30 Uhr, Ernst-Deutsch-Theater.
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