: Rasches Ende im Opec-Prozess
Im Frankfurter Prozess gegen den Exterroristen Hans-Joachim Klein plädieren morgen die Verteidiger. Doch nach 26 Jahren ist der Tathergang nicht mehr zu rekonstruieren
FRANKFURT taz ■ Selten ging ein Terroristenprozess vor einem deutschen Gericht so schnell zu Ende wie der gegen Hans-Joachim Klein. Im Oktober hatte der Prozess gegen den 53-Jährigen vor der 21. Großen Strafkammer des Frankfurter Landgerichts begonnen, morgen werden die Verteidiger des Hauptangeklagten plädieren.
Nur 24 Tage brauchte der Vorsitzende Richter, Heinrich Gehrke, zur Beweisaufnahme. Eine Rekonstruktion des Attentats auf die Minister Erdöl exportierender Länder (Opec) in Wien hatte er während des Verfahrens rasch aufgegeben. Damals, im Dezember 1975, hatte Klein zusammen mit Mitgliedern palästinensischer Gruppen und unter Leitung des Topterroristen Illich Ramirez Sanchez schwer bewaffnet das Opec-Gebäude gestürmt. Auftraggeber, sagte er im Prozess aus, sei Libyen gewesen. Am Ende waren drei Menschen tot, Klein wurde durch einen Bauchschuss schwer verletzt. Zusammen mit seinem Kommando und 33 Geiseln wurde Klein nach Algier ausgeflogen, tauchte im Jemen unter und sagte sich 1977 vom Terrorismus los. 24 Jahre lebte er versteckt in Frankreich.
Er selbst, betonte er immer wieder, habe niemand erschossen und auch nicht mit Toten gerechnet, als er von Mitgliedern der Revolutionären Zellen (RZ) in Frankfurt rekrutiert wurde. Das deutsche RZ-Mitglied Gabriele Kröcher-Tiedemann, Deckname Nada, habe einen irakischen Leibwächter erschossen. Er selbst habe nur auf die Telefonanlage gezielt. Um die Wahrheit herauszufinden, ist zu viel Zeit vergangen. Viele Zeugen sind tot oder zu alt und mittlerweile aussagemüde. Auch ein aufwendig erstelltes Pappmodell des Gebäudes half dem Sachverständigen nicht weiter: In Österreich waren die Spuren verwischt. Geiseln und Attentäter hatten sich der Partronenhülsen als Souvenirs bemächtigt. Gleich nach dem Attentat hatten Putzfrauen Beweismittel beseitigt und Handwerker die Einschusslöcher an Decken und Türen repariert.
Das Gericht muss nun entscheiden, ob es Klein glaubt. Richter Gehrke gilt als kluger, aber eigenwilliger Kopf mit spitzer Zunge. Er scheint es zu genießen, gerade jenen Zeugen zuzusetzen, die sich zu den Mächtigen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zählen: Von Außenminister Joschka Fischer, dem grünen Europaabgeordneten Daniel Cohn-Bendit und Kabarettist Matthias Beltz hatte der Vorsitzende vor allem Aussagen über Kleins Charakter vor dem Attentat erhofft. Sie alle kannten Klein aus der Spontiszene, hatten während der 68er-Revolte und des Häuserkampfs gemeinsame Straßenschlachten geschlagen. Sie alle aber machten es dem Gericht schwer, wichen den bohrenden, manchmal fast bittenden Fragen aus. War Klein als armer Leute Kind gegenüber den intellektuellen, bürgerlichen Studenten benachteiligt? Versuchte er dies durch Sprüche zu kompensieren? Hat er die damaligen Diskussionen wirklich verstanden? Gehrke kämpfte fast um solche Aussagen. Doch keiner der früheren Kampfgefährten mochte sich im Angesicht des Angeklagten zu dessen intellektuellem Vermögen äußern.
Die Staatsanwaltschaft hatte in der vergangenen Woche die Anwendung der Kronzeugenregelung und 14 Jahre Haft für Klein gefordert. Das morgige Plädoyer der bis dahin ungewohnt passiven Verteidiger Eva Dannenfeldt und Eberhard Kempf wird mit Spannung erwartet. Fast schien es bisher, als hofften sie darauf, die nur selten durchbrochene Lethargie ihres Mandanten spreche für sich und das Gericht werde sich sein Bild schon machen. HEIDE PLATEN
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