: Der Zeuge hielt den Mund
Er soll launig geplaudert haben. In der Sache sagte er aber nichts, Alfred Sirven, der Bestechungsspezialist von „Elf“
aus WeiterstadtKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Ja doch, im Prinzp sei es aussagewillig, der ehemalige Direktor von Elf-Aquitaine, Alfred Sirven (74). Im Prinzip sei er bereit, sein Wissen dem Berliner Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendengeldaffäre zu offenbaren, sagte der Obmann der Grünen, Christian Ströbele, gestern in Weiterstadt der taz. Im Prinzip – aber nicht sofort und nicht ohne vorherige Beratung mit seinen Anwälten. Und das ist das einzige Ergebnis der Reise des gesamten Bundestagsausschusses ins hessische Weiterstadt, wo der frühere französische Topmanager seit zwei Tagen in Auslieferungshaft saß. Er sollte Auskunft zu den Schmiergeldern geben, die Anfang der 90er-Jahre im Zug der Privatisierung der ostdeutschen Leuna-Werke in Höhe von insgesamt 77 Millionen Mark teilweise auch an deutsche Politiker geflossen sein sollen; der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) bestreitet das.
Weil Sirven sich „aussagewillig“ und auch als „launiger Plauderer“ (Ströbele) präsentierte, möchten sich die erst am Nachmittag aus Berlin angereisten Ausschussmitglieder gerne weiter mit ihm unterhalten: in Deutschland. Der Obmann der CDU, Andreas Schmidt, war sich sicher, dass die frühere Bundesregierung unter Kohl dann vom Vorwurf, bestechlich gewesen zu sein, reingewaschen werde. Einstimmig forderte der Ausschuss Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) auf, Mittel und Wege zu finden, die von einem Frankfurter Gericht verfügte Abschiebung Sirvens im Eilgang noch zu verhindern. Noch gestern abend sollte Sirven, der vor den Ausschussmitgliedern die deutsch-französische Freundschaft hochleben ließ und sich gefreut hätte, einem alten „Kriegskameraden“ von der anderen Seite zu begegnen (darauf musste er verzichten: die Ausschussmitglieder waren alle zu jung), ausgeflogen werden. Auf dem nahen Frankfurter Flughafen wartete schon eine gecharterte Privatmaschine auf den Franzosen. Bis Redaktionsschluss dieser Seite war die Entscheidung in Berlin noch nicht gefallen. Völkerrechtliche Fragen seien noch zu klären, hieß es bei den Ausschussmitgliedern in Weiterstadt.
In der JVA dort herrschte in Erwartung des Ausschusses ab Mittag der Ausnahmezustand. Dass Menschren raus wollen aus einem Gefängnis, ist normal. Gestern aber war es umgekehrt. Alle wollten rein. Rund hundert Medienvertreter aus zwei Ländern – Deutschland und Frankreich – blockierten den Eingangsbereich der JVA. Gegen 14 Uhr durften dann nur zwanzig von ihnen, die der Ausschussvorsitzende Neumann (SPD) zuvor persönlich benannt hatte, das Tor passieren. Lange Gesichter draußen. Drinnen passierte nicht viel. Etwas gehemmt sei Sirven zunächst gewesen, hieß es. Dann aber hätten seine Anwälte den Redefluss bremsen müssen.
Obwohl inhaltlich nichts dabei herausgekommen sei, müsse man den grundsätzlichen Aussagewillen Sirvens ausnutzen, meinte Christian Ströbele im Anschluss. Notfalls müsse der Ausschuss Sirven eben in einer Haftanstalt in Frankreich vernehmen.
Einer machte in Weiterstadt gestern seinen großen Schnitt: der Pizza-Mann vom „Tropic“. Der belieferte die frierenden Journalisten vor dem Tor mit heißer Ware – pausenlos.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen