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Siedler hoffen auf Scharon

In den jüdischen Siedlungen zwischen Jerusalem und Hebron gärt es. Hier gibt es immer wieder Zwischenfälle. Die Bewohner fühlen sich vom Militär nicht geschützt und hoffen auf Scharon

aus Gusch Etzion SUSANNE KNAUL

„An klaren Tagen kann man von hier aus bis nach Tel Aviv sehen“, sagt Schaul Goldstein, Verwaltungsratsvorsitzender von Gusch Etzion, am Fenster seines Büros stehend. 27 jüdische Siedlungen mit 32.000 Menschen gehören zu seinem Einzugsbereich. Der „Gusch“, zu Deutsch: „Block“, zieht sich von der grünen Linie südlich Jerusalems bis zum Toten Meer. Goldstein deutet auf eine alte Landkarte, die aus den frühen 40er-Jahren stammen soll. „Das rot markierte Land gehörte Juden“, erklärt er. Rund 80 Prozent auf der Karte sind rot markiert.

Die Region zwischen Jerusalem und Hebron ist heute am dichtesten besiedelt. Auch in Friedenszeiten soll – ginge es nach Israel – diese Region von Juden bewohnt bleiben. Die „vereinzelten Evakuierungen isoliert liegender Siedlungen“, wie es der noch amtierende Premierminister Ehud Barak in Aussicht stellte, sollen andernorts stattfinden.

Wer von Jerusalem aus nach Allon Schwut oder zum Kibuz Rosch Zurim in der Umgebung Hebrons reisen will, ohne Bethlehem zu passieren, nimmt die Tunnelstraße, die für Palästinenser ohne Sondergenehmigung nicht zugelassen ist. In der jüngeren Vergangenheit kommt es hier immer wieder zu Zwischenfällen. Vor zehn Tagen wurde ein Siedler aus Rosch Zurim erschossen. Am Eingang zum Rathaus von Gusch Etzion klebt die schwarz umrandete Notiz vom Tod des Siedlers Zachi Sasson. „Möge der Herr sein Blut rächen“, steht hinter seinem Namen.

„Bis zum vergangenen September war hier jedes Haus verkauft, noch bevor es gebaut wurde“, berichtet Goldstein. Mit Beginn der Unruhen sei der Absatz allerdings „deutlich zäher“. Die Siedler sind frustriert über das Militär, das angeblich nichts tut, und über die eigene Tatenlosikeit. „Die meisten von uns haben in Eliteeinheiten gedient“, meint Goldstein und fügt hinzu, dass es kein Problem wäre, „eine Einheit aufzustellen, um ein arabisches Nachbardorf zu besetzen“. Goldstein glaubt, dass es nur noch wenige Tage dauern wird, „bis es hier zur Explosion kommt“.

Zuerst sei es eine Frage der Lebensqualität gewesen, aber „jetzt geht es uns ums Prinzip“, sagt Jodi, Anfang 40, auf die Frage, warum sie mit ihren fünf Kindern in einer Siedlung lebt. Wie Jodi ist rund die Hälfte der Siedler in Gusch Etzion aus den USA eingewandert. Sie kommen, „weil es hier gute Schulen und gute Leute gibt“, erklärt Jodi. In ihrem religiösen Kibuz hätten fast alle den konservativen Ariel Scharon gewählt. Jodi, die in Rosch Zurim einen kleinen Lebensmittelladen betreibt, hofft, dass Israel unter Scharons Führung stärker zurückschlagen wird, ohne Rücksicht auf die Meinung der Welt zu nehmen.

Die jüngsten Attentate waren für Ariel Scharon „Beweis dafür, dass die Terroristen nicht zwischen Hebron und Tel Aviv unterscheiden“. Ähnlich argumentieren die Siedler, dass die Rückgabe von „Judäa und Samaria“ der Gewalt kein Ende machen werde. Einer der wenigen Juden, die in Gusch Etzion zur Welt gekommen sind, ist Schimon Karmiel, Chef einer Kfz-Werkstatt. 1948 wurden die Juden aus dem Dorf vertrieben, in dem seine Eltern lebten. Karmiels Vater kam bei den Unruhen ums Leben. Nach dem Sechstagekrieg 1967 zog Karmiel zurück in seine alte Gegend. „Heute gibt es einen Staat und eine Armee“, sagt er und ist sich sicher, dass er nicht noch einmal vertrieben wird. Trotzdem ist Karmiel nicht zufrieden mit den eigenen Militärs, die „viel mehr unternehmen könnten“, wobei er offen lässt, was genau getan werden sollte. Es gibt ein simples Motto, sagt er: „Wenn wir keine Sicherheit haben, dann soll die andere Seite auch ohne Sicherheit leben.“

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