Künast fehlt der Hofstaat

Die Umgestaltung der Landwirtschaftspolitik läuft langsamer an als erwartet. Renate Künast tauscht in ihrem Ministerium kaum Beamte aus. Landesministerin Bärbel Höhn kritisiert ihre Bundeskollegin

BERLIN taz ■ Die Neuorganisation des ehemaligen Landwirtschaftsministeriums läuft zögerlicher an als von vielen erwartet und gehofft. Dass die neue Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) nach wenigen Wochen nicht schon fertige Konzepte für die verfahrene Situation der EU-Landwirtschaft präsentiert, leuchtet allen Beobachtern ein. Doch wundern sich die Experten, wie wenig sich bisher im Hintergrund tut. „Mit denen, die eine Agrarreform mittragen müssen und wollen, wurde bisher nicht geredet“, meint Jochen Dettmer, Geschäftsführer des Deutschen Bauernbunds, einer Ostkonkurrenz des Deutschen Bauernverbandes.

Und im Ministerium ist noch kein einziger Posten auf der Ebene der politischen Beamten neu besetzt worden. „Der Apparat muss umgestaltet werden. Das mag ein paar Monate dauern, aber losgehen muss es schon jetzt“, so ein Insider: „Wenn die Beamten und das gesamte bisherige Geflecht der Agrarlobby sehen, dass ihnen nichts passiert, dann nehmen sie die neue Spitze doch nicht ernst.“

„Ich sehe schon eine realistische Chance, etwas zu verändern. Man muss es nur sehr schnell tun“, sagte gestern auch Bärbel Höhn, grüne Ministerin für Verbraucherschutz und Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen zur taz. Sie fürchtet, dass sich die gegenwärtig günstige Situation – eine sensibilisierte Öffentlichkeit und eine angesichts der Seuchen und Skandale geschwächte Agrarlobby – schnell wieder verändern könnte. Der Bauernverband bewege sich derzeit in seinen inhaltlichen Positionen, meint Höhn.

Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender des alternativen Bauernverbandes „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ (AbL), weist trotz anfänglicher Skepsis am Künast-Ministerium darauf hin, dass Künast nichts übers Knie brechen darf: „Die Agrarpolitik wird seit den 60er-Jahren in Brüssel gemacht, nicht in Bonn oder Berlin.“ Mehrheiten für eine neue Politik, bei der mit den Milliarden aus Brüssel auch die Qualität der Lebensmittel gefördert werden, „sind nur mit der EU-Kommission zu machen, keinesfalls gegen sie“, so Baringdorf, selbst EU-Parlamentarier. Der jüngste Versuch der grünen Ministerin, auf EU-Ebene mit Hilfe der anderen Länderregierungen eine Koalition für eine schnelle Reform der EU-Agrarmisere herzustellen, sei zum Scheitern verurteilt gewesen.

Angesichts der kostspieligen Tierseuchenskandale hatte Künast auf eine schnelle Einigung der Minister gehofft, um den öffentlichen Druck zu nutzen, statt sich in langwierigem bürokratischem Ringen zwischen Kommission und Ministerrat aufzureiben. Zwar hätten auch Frankreich, Belgien und Großbritannien reichlich Agrarskandale, meint Baringdorf. Doch das heiße noch lange nicht, dass die dortigen Regierungen auch für einschneidende Veränderungen stimmten. „Viele Minister wollen nur nach Hause gehen und dort verkünden können, dass sie wieder Geld für ihre Bauern herausgeschlagen haben“, so Baringdorf.

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