: Ohne Edeka kein Öko
Die Supermärkte füllen ihre Regale nur zaghaft mit Bioprodukten. Ohne ihre Hilfe sind zwanzig Prozent Ökolandwirtschaft aber nicht erreichbar
von RALF GEISSLER
Günther Fielmann hat es durchschaut: Biolebensmittel sind ein lohnendes Geschäft. Der Chef von Europas größter Optikerkette betreibt schon seit zehn Jahren ein Ökogut bei Hamburg und hält dort die zweitgrößte Brillenschafherde der Welt. „Unsere Umsätze sind in einem Jahr um fünfzig Prozent gestiegen“, sagt Fielmann. Jetzt will er aus seinem Hof Lütjensee eine Feinkostkette mit zehn bis zwanzig Filialen machen.
Im Gegensatz zum Optiker investieren etablierte Supermärkte und Discounter nur zaghaft in Ökolebensmittel. Edeka und Rewe gehen unter den Großen noch am weitesten. Im Gesamtsortiment von über 20.000 Artikeln muss man die 150 bis 250 Bioprodukte bei den Branchenriesen aber noch suchen. „Die Ketten stecken in einem Teufelskreis“, meint der Stuttgarter Agrarexperte Stephan Dabbert. Weil sie Angst vor zu geringer Nachfrage hätten, würden sie die Bioproduktpalette nur zögernd ausbauen. „Da der Verbraucher aber nicht jeden Tag den gleichen Käse essen will, ist die Nachfrage niedriger als sie sein könnte.“
Mehr Werbung für Ökoprodukte fordert Ulrich Hamm, Professor für Agrarmarketing an der Fachhochschule Neubrandenburg. „Das Interesse an ökologisch erzeugten Lebensmitteln ist weit größer als bislang erschlossen wurde.“ Selbst Discounter wie Aldi oder Lidl könnten langfristig in das Geschäft einsteigen. Thomas Dosch, Vorsitzender vom Ökobauernverband Bioland, sieht gerade in der Werbung ein Dilemma der Ketten: „Wenn sie Öko als etwas besonderes herausstellen, müssen sie erklären, warum ihre konventionellen Waren nicht schlechter sind.“ Aldi würde er übrigens nicht beliefern. Mit Edeka arbeitet er zusammen. Der Bioverband Demeter hingegen will mit etablierten Supermärkten gar nicht zusammenarbeiten.
Zwanzig Prozent Biofläche in der Landwirtschaft will Renate Künast erreichen. „Wenn die Supermärkte nicht mehr Bio listen, werden wir das kaum schaffen“, befürchtet Dosch. Allerdings sei deutsche Ware momentan eher knapp, weil Fachhändler, die ausschließlich Ökoprodukte verkaufen, massive Umsatzsteigerungen verzeichneten. Auch müssten die zahllosen Bioverbände selbst etwas tun, um schneller in die Regale von Edeka und Co. zu kommen. „Die Branche ist in Deutschland stark zersplittert und kleinteilig. Das passt nicht zu den großen Lebensmittelkonzernen.“ Hamm empfiehlt den Ketten deswegen vorerst Importe aus Ländern wie der Schweiz, Österreich oder Italien, die bereits wesentlich mehr Bioprodukte herstellen als Deutschland. Mittelfristig sei die Nachfrage aus deutschem Anbau nicht zu decken, da ein Bauer, der jetzt auf Bio umsteige, frühestens 2004 seine Lebensmittel als Ökoware verkaufen könne.
Dass die Transporte vom Ausland in die Märkte wegen der Abgase den Biobonus wieder aufzehren, bestreitet Hamm: „Die Verbraucher, die derzeit jedes Wochenende einzeln auf den Ökohof vor der Stadt fahren, verschmutzen die Luft weit mehr.“ Das größte Hindernis für mehr Bio im Regal sieht der Wissenschaftler im fehlenden einheitlichen Ökosiegel. Jede Kette setzt derzeit auf eine eigene Marke. Hinzu kommen etwa einhundert Ökozeichen.
Bei Wolfgang Gutberlet geht Bioware gut. In seinen 330 tegut-Supermärkten in Hessen, Bayern und Thüringen verkauft er neben konventionellen Lebensmitteln auch eintausend Bio-Artikel. Das entspricht zehn Prozent. „Der Durchbruch klappt nur, wenn die Mitarbeiter dahinter stehen“, sagt Gutberlet. Alle seine Angestellten mussten Kurse besuchen zur Frage: Weißt du, was du isst?
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