: Studenten bald obdachlos
Für Studienanfänger gibt es ab Juli in Berlin keine Wohnheimplätze mehr, weil das Studentendorf Schlachtensee geschlossen wird. Studentenwerk hat nicht einmal genügend Zimmer für Stipendiaten
von JULIA NAUMANN
Wer für das kommende Herbstsemester einen Platz in einem Wohnheim sucht, der kann leer ausgehen: Der Vorstand des Studentenwerks hat beschlossen, dass frei werdende Wohnheimplätze ab dem 15. Juli nur noch an ausländische Stipendiaten und Austauschstudenten vermietet werden. Der Grund: Das Studentendorf Schlachtensee muss bis Ende September seine Pforten schließen, weil das Land das 5,3 Hektar große Grundstück an einen Investor verkaufen will.
Dadurch fallen rund 1.000 der derzeit 12.400 Wohnheimplätze weg. Da aber die Hochschulen verpflichtet sind, Austauschstudenten, die etwa im Rahmen des europäischen Erasmus-Programms kommen, einen Platz zu garantieren, müssen „normale Studenten“ zurückstecken. Pro Jahr kommen rund 800 bis 1.000 Austauschstudenten.
Die Selbstverwaltung des Studentendorfes Schlachtensee befürchtet jetzt, dass insbesondere Studienanfänger und Ausländer, die kein Stipendium bekommen, leer ausgehen werden. „Es wird gerade für dunkelhäutige Ausländer sehr schwierig sein, eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt zu bekommen“, befürchtet Sprecher Jörg Müller. Viele von ihnen würden „soziale Einheiten“ wie Wohnheime vorziehen. Rund 17.500 Erstsemester fangen im Herbst ihr Studium an. Rund 14 Prozent aller Studierenden sind Ausländer.
Müller kritisierte scharf, dass Wissenschaftssenator Christoph Stölzl (CDU) stets „vollmundig“ behauptet hatte, Plätze seien genügend vorhanden und es kein Problem sei, Schlachtensee zu schließen. Jetzt werde das von der Selbstverwaltung befürchtete „Horrorszenario“ eintreten, dass es doch zu wenig Plätze gebe. „Dadurch wird der Wissenschaftsstandort Berlin wesentlich geschmälert“, so Müller. Studierwillige würden abgeschreckt.
Auch der Geschäftsführer des Studentenwerks, Hans-Jürgen Fink, befürchtet Engpässe: „Wir werden nicht alle aufnehmen können.“ Es sei nicht einmal sichergestellt, dass für die Stipendiaten genügend Plätze vorhanden seien. Der Wohnungsmarkt sei jedoch entspannt, sodass es relativ einfach sei, eine Wohnung zu finden, sagte Fink. Doch diese wird wahrscheinlich teurer als ein Heimplatz sein, der zwischen 200 und 450 Mark kostet.
Die Sprecherin von Wissenschaftsenator Stölzl, Kerstin Schneider, wies darauf hin, dass derzeit mit den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften darüber verhandelt werde, ob diese Unterkünfte für Studierende bereitstellen könnten. Diese müssten jedoch preisgünstiger als normale Mieten sein.
Im Wohnheim Schlachtensee wollen die verbliebenen Bewohner weiterhin für ihr Dorf kämpfen. Nach Angaben von Ratsvorstand Jörg Müller leben noch 250 Studenten in dem von der Räumung bedrohten Dorf. Diese wehren sich derzeit gegen die Räumungsklage vor Gericht und rechnen sich gute Chancen aus, denn einige der Mietverträge laufen offiziell noch bis zum Jahre 2002. Mitte April soll das Ergebnis der Ausschreibung bekannt gegeben werden.
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