: Prima Klima schaffen
Beim US-Präsidenten will Bundeskanzler Schröder auch den Klimaschutz ansprechen. Deutsche befürchten einen Rückfall auf den Stand von 1992
von BERNHARD PÖTTER
Diese Rolle gibt der Genosse der Bosse nicht häufig: Bei seinem heutigen Besuch in Washington will Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) das Weltklima retten – oder zumindest das Klimaprotokoll von Kioto. Denn obwohl sie die größten Klimasünder der Welt sind, kündigten die US-Amerikaner unter ihrem neuen Präsidenten George Bush an, den Ausstoß ihrer Treibhausgase nicht mehr zu verringern.
Dieser Ausstieg aus dem Klimaschutz bedroht nicht nur die Atmosphäre, sondern auch Schröders eigene Rolle als Gastgeber für die nächsten Klimaverhandlungen. Und da heißt es für ihn handeln.
Offiziell wird Schröder dabei nicht viel sagen können: Deutschland fühle sich weiterhin an das Kioto-Protokoll gebunden, in dem sich 1997 die Industriestaaten zur Reduzierung ihrer Emissionen verpflichtet haben. Auch Deutschland wolle nicht Klimaschutz um jeden Preis, sondern eine vernünftige Energieversorgung.
Tatsächlich ist aber klar, dass Schröder einen Rückschlag beim Klimaschutz fürchtet, weil sein eigener Ruf auf dem Spiel steht. Denn im Juli wird die im vergangenen Jahr gescheiterte Klimanachfolgekonferenz von Den Haag in Bonn wieder aufgenommen, wo es seine Aufgabe wäre, die Delegierten zu begrüßen.
Außerdem hatte sich der Bundeskanzler auf der Klimakonferenz im Herbst 1999 ebenfalls in Bonn dafür stark gemacht, dass die Industriestaaten das Kioto-Protokoll ratifizieren. Im nächsten Jahr, zum zehnjährigen Jubiläum der Rio-Konferenz von 1992, sollte dann das Protokoll wirksam werden.
All das ist nun gefährdet, wenn Bush an seinem Klimakurs festhält. Zwar erklärt der Sprecher des Bundesumweltministeriums, Michael Schroeren, noch sei nicht aller Tage Abend, der „policy review“, die Neuausrichtung der US-Politik, sei noch nicht abgeschlossen. Doch intern bangen die Beamten im Ministerium um die Konferenz im Juli.
Wenn die USA ihren Kurs nicht ändern, braucht eigentlich niemand überhaupt erst anzureisen. Schließlich macht es wenig Sinn, über ein Abkommen zu verhandeln, an das sich die USA nicht gebunden fühlen. Der offiziellen Hoffnung, Schröder könne Bush umstimmen, begegnen die Klimaexperten mit Skepsis.
Eine Pleite wie in Den Haag wollen die Deutschen auf jeden Fall verhindern. Sie hoffen auf einen neuen Kompromissvorschlag des niederländischen Umweltministers Jan Pronk, der Anfang April noch einmal mögliche Punkte zur Einigung vorlegen will. Viel gewonnen wäre schon, wenn die USA auf der Konferenz ihr Veto nicht ausübten, sondern die Vereinbarungen über die Details einfach passieren ließen. Dann wären zwar die USA nicht gebunden, aber das Kioto-Protokoll könnte in Kraft treten. Der Ausweg hat seinen Charme: Die Vereinbarung könnte in Kraft treten, die USA wären nicht gebunden.
Doch die Fachleute für Klimaschutz malen auch den Teufel an die Wand. Wenn die USA in Bonn und auf der nächsten Konferenz im Herbst im marokkanischen Marrakesch eine Vereinbarung torpedieren, sei „das Kioto-Protokoll praktisch tot“. Das aber hieße, man müsste wieder beginnen, darüber zu verhandeln, welche Länder überhaupt wie viel Treibhausgase bis wann reduzieren sollen. „Das würde uns praktisch auf den Stand nach Rio 1992 zurückwerfen“, fürchten die Klimaschützer aus dem Umweltministerium.
Die letzten zehn Jahre wären dann für den Klimaschutz endgültig verloren – und das, weil „die großen Energieunternehmen zu den Hauptfinanziers der Republikaner in den USA gehören“, sagt Michael Müller, Umweltexperte der SPD-Fraktion. Für ihn hat Schröders Versuch, das Kioto-Protokoll zu retten neben einer Verurteilung des „ökologischen Kolonialismus“ der USA auch den Effekt, dass die europäischen Länder sich selbst damit in Zugzwang bringen. „Wir können nicht die Amerikaner an den Pranger stellen und dann selbst nichts tun“, so Müller.
kommentar SEITE 11
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen