Pflege: Wer keine Kinder hat, zahlt künftig drauf

Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entlastet Familien mit Kindern bei der Pflegeversicherung. Entscheidung hat auch Auswirkungen auf die Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung

KARLSRUHE taz ■ Eltern müssen künftig bei der Pflegeversicherung niedrigere Beiträge zahlen als Kinderlose. Dies entschied gestern das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Es erkennt damit den Beitrag der Familien zur Aufrechterhaltung der 1994 eingeführten neuen Sozialversicherung an. Das System sei auf die Beiträge der „nachwachsenden Generation“ angewiesen.

Bis Ende 2004 muss der Gesetzgeber eine Neuregelung treffen. Das Gericht begründete die lange Übergangsfrist damit, dass der Bundestag die Auswirkungen des Urteils auch auf „andere Zweige der Sozialversicherung“ prüfen muss. Im Blick ist hier die Rente, die ebenfalls nach dem Prinzip des Generationenvertrags funktioniert.

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) forderte von der Bundesregierung die Zurücknahme ihrer Rentenpläne. Dies schloss Arbeitsminister Walter Riester (SPD) jedoch aus. Möglicherweise muss er allerdings bis 2004 nachbessern. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sicherte eine „sorgfältige Prüfung“ zu.

Der Heidelberger Sozialrichter Jürgen Borchert, der die Debatte um Familiengerechtigkeit in Deutschland maßgeblich beeinflusst, zeigte sich gestern nur halb befriedigt. „Karlsruhe hat gezeigt, dass es die Katastrophe, die von der Überalterung unserer Sozialversicherung droht, noch abwenden will.“ Es mangele aber an präzisen Festlegungen.

Deutlich wurde Karlsruhe gestern nur in einer Nebenfrage. 150.000 Personen, die von der Pflegeversicherung nicht erfasst sind und keine Krankenhilfe über das Sozialamt erhalten, muss bis Jahresende der Beitritt zur Pflegeversicherung ermöglicht werden. CHRISTIAN RATH

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