: Fast wie Uschi Glas
Im Möbelladen eines Charlottenburger Designkaufhauses hat die erste „Sauerstoffbar“ der Stadt eröffnet. Ein Besuch soll das Leben ändern
von KIRSTEN KÜPPERS
Sind auch Sie krank? Zu den Zivilisationskrankheiten gehört, dass die Menschen unter Durchblutungsstörungen, Atemwegserkrankungen und Rückenschmerzen leiden. Viele sind dauerhaft nervös. Diese Beschwerden werden durch Bürotätigkeiten, Stress und allgemeine Anspannung im Alltag ausgelöst. Doch nur die wenigsten Dienstleister können sich frische Luft oder einen privaten Masseur zum Lindern ihrer Schmerzen leisten. Und selbst Betriebsräte großer Konzerne konnten diesen Service für die Mitarbeiter bisher kaum durchsetzen.
Doch zumindest den Leidenden in der Hauptstadt kann jetzt in der Freizeit mit der ersten „Sauerstoffbar“ der Stadt geholfen werden. Sie befindet sich in einem Möbelladen im Charlottenburger Designkaufhaus „Stilwerk“, und ihr Angebot ist kostenlos. „Der Besucher kann sich in bequeme Massagesessel fallen lassen, seinen Gefühlen freien Lauf geben und dabei die Sinne und Zellen mit ionisiertem Sauerstoff auftanken“, heißt es im dazugehörigen Pressematerial. Anschließend sollen „Körper und Geist frei für neue Inspirationen“ sein. Gestern wurde dieser „Wellnessbereich“ des Möbelgeschäftes „Leolux“ eröffnet.
Tatsächlich handelt es bei der Sauerstoffbar um einen Raum mit unförmigen bunten Sitzmöbeln. Die Sessel sind über eine Fernbedienung beheizbar und in verschiedene Massagefunktionen verstellbar. Wer sich hineinsetzt, bekommt von einer freundlichen Mitarbeiterin eine Sauerstoffmaske über das Gesicht gestülpt. Es gelte jetzt, die Augen zu schließen und den „Spirit of Leolux“ zu erleben, erklärt der agile Geschäftsführer Oliver Kuhlmey.
Früher war Kuhlmey bei einem Textilhersteller als Außendienstmitarbeiter für die neuen Bundesländer tätig, steht im Pressematerial. Jetzt hat er sich auf niederländische Designmöbel spezialisiert und seine Berliner Geschäftsräume von einem Feng-Shui-Berater gestalten lassen. Seinen Kunden legt Kuhlmey eine CD mit sphärischer Technomusik ein. Aus den Lautsprechern knarzt eine Stimme: „Herzlich Willkommen in der Welt der Stimmungen und Planeten, die ihr Leben verändern.“ Man hört das schwere Atmen anderer Journalisten, die Sauerstoffmaske riecht nach Plastik.
Hinterher meint ein älterer Mitarbeiter entschuldigend, die Wirkung der Sauerstoffdusche sei „auf die Schnelle nicht erlebbar“. Aber Uschi Glas lasse sich auch regelmäßig mit Sauerstoff behandeln. Schließlich verliere die Haut dadurch „ihr typisches Grau“. Er selbst sei starker Raucher und könne diese Wirkung bestätigen. Der Raucher reicht Plastikbecher mit kaltem „Sauerstoffwasser“ herum. Es ist kalt. Und nach Wasser schmeckt es. Die Sauerstoffmaske darf man als Souvenir nach Hause nehmen. Herr Kuhlmey möchte seine Möbel verkaufen. Ein Massagestuhl kostet etwa 3.000 Mark.
Später fällt einem draußen auf der Kantstraße eine Frau auf. Inmitten vorbeihastender Passanten steht sie ganz still da. Sie betrachtet versunken ein in Beton eingefasstes Beet mit blauen Veilchen. Die Frau sieht sehr entspannt aus. Und gar nicht krank.
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