: Boykott, kein Boykott
Auf einer Konferenz im fernen Australien stimmen die deutschen Grünen für einen Boykott von US-Ölfirmen. Aber so ernst war’s nicht gemeint
von SEVERIN WEILAND
Am Ende jeder Konferenz steht ein Beschluss. So unterstreichen die Teilnehmer gewöhnlich die Ernsthaftigkeit ihrer Zusammenkunft. Das mögen auch vor einer Woche die 800 Delegierten der ersten Weltkonferenz grüner Parteien im fernen Australien im Sinn gehabt haben, als sie einstimmig eine Resolution zur US-Klimapolitik verabschiedeten. Zwei Stellen stachen besonders heraus: In Punkt 9 verlangten die Delegierten, jedes friedliche Mittel zu nutzen, um Druck auf die USA, andere Länder und Firmen auszuüben, die die Klimapolitik blockieren. Ausdrücklich werden dazu auch Boykottstrategien gezählt. Und im letzten Absatz wurde das Papier sogar sehr konkret: Man sprach sich für einen „Boykott“ von US-Ölkonzernen „wie Exxon“ aus, „solange die Bush-Regierung sich weigert, das Kioto-Protokoll zu erfüllen“.
Unter den Delegierten in Canberra, die der Einladung des grünen australischen Senators Bob Brown gefolgt waren, befand sich auch eine kleine Gruppe deutscher Grüner. Neben Reinhard Bütikofer, Geschäftsführer der Bundespartei, hatten sich der Bundestagsabgeordnete und Europapolitiker Christian Sterzing, der nordrhein-westfälische Landeschef Frithjof Schmidt und der Chef der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung und frühere Bremer Senator Ralf Fücks auf den fünften Kontinent begeben.
Von der Reise gerade zurückgekommen, schraubte der Bundesgeschäftsführer Bütikofer im Gespräch mit der taz vermutete Ansprüche der „Global Greens Conference“ herunter. Fritz Kuhn und Claudia Roth, womöglich an Zapfsäulen angekettet, das wird es wohl nicht geben. Denn was sich für außenstehende Beobachter wie eine Selbstverpflichtung zu einem globalen Handeln grüner Parteien liest, war in Canberra so ernst am Ende doch nicht gemeint, folgt man den Ausführungen des Bundesgeschäftsführers. Die Konferenz sei schließlich „nicht als Parteiaktion gedacht gewesen“. Schon gar nicht sei sie eine „Grüne Internationale“, die verbindliche Beschlüsse festlege, womit Bütikofer auf jene Tradition kommunistischer Organisationen anspielte, die in den 30er- und 40er-Jahren bis in kleinste Details die nationalen Strategien ihrer Bruderorganisationen festlegte. Wer glaube, eine Konferenz in Canberra habe unmittelbare Auswirkungen auf die bundesdeutschen Grünen, denke „naiv“. In Australien sei es darum gegangen, eine „gemeinsame Anstrengung, den Kampf um eine gute Klimapolitik, voranzutreiben“. Boykottaktionen gegen US-Konzerne oder gar die US-Regierung sind aus Sicht Bütikofers daher auch nicht ratsam. „Wenn überhaupt solche Boykottaktionen, dann gezielt und nicht mit der Schrotflinte“, meint er. Dazu sei das Thema zu komplex. Es sei daher auch „nicht sinnvoll, eine abstrakte Kampagne gegen US-Ölfirmen zu führen“. Wer Klimapolitik wirklich ernst nehme, müsse Bündnisse auf nationaler und internationaler Bühne suchen.
Wo wie zuletzt in Canberra grüne Parteien aus allen Kontinenten zusammenkommen, mit unterschiedlichen Kulturen und Erfahrungen, aus autoritären, weniger autoritären und demokratischen Systemen, sind Debatten entsprechend vielfältig. In dem Arbeitsforum, an dem Bütikofer teilnahm, konnte der Bundesgeschäftsführer beobachten, dass manche Delegierte aus Afrika beim Stichwort Boykottaktionen gar nicht so sehr die US-Konzerne als vielmehr europäische Unternehmen im Auge hatten. Anderen Teilnehmern sei es wiederum nur um Proteste gegen US-Firmen gegangen – unabhängig vom Erfolg einer Klimapolitik. So seien, sagt Bütikofer, am Ende eben „verschiedene Akzente in die Beschlussfassung“ eingeflossen. Die erste globale Resolution grüner Parteien scheint somit jenes Schicksal zu ereilen, das auch hierzulande manche Papiereerfahren: abgestimmt und abgelegt. Zeit zum Vergessen ist reichlich vorhanden: Erst 2006 wollen sich die globalen Grünen wiedertreffen.
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