: die kinder von 68
. . . und der große Konflikt
Die Kinder der 68er fahren Volvo. Die Kinder der 68er wollen doch bloß Aufmerksamkeit um jeden Preis. Oder einen dicken Plattenvertrag. Man sieht schon: Es ist ein Elend. Was kann man von diesen Kindern erwarten?
„Wohin geht ihr?“ Das ist die Frage, die die 68er den Kindern der 68er stellen. Sie haben da einen so genannten Staffelstab. Den haben sie von Herbert Marcuse gekriegt. Sagen sie. Und jetzt wollten sie ihn übergeben. Samstagmittag. Beim Podium „Die Kinder der 68er“.
Die Alten fordern „Beerbung“ im Blochschen Sinne. Doch sie hoffen vergebens. Die Jungen, die „erste Generation, die als unpolitisch bezeichnet wurde“ (Bettina Röhl), lehnt das Erbe ab. „Man kriegt so viele Staffelstäbe in die Hand“, sagt der Regisseur Christian Petzold, „man weiß gar nicht, wohin damit.“ Petzold hat soeben mit dem RAF-Film „Die innere Sicherheit“ einen großen Erfolg gelandet. Er ist links, keine Frage. Themen in seinen Kreisen sind Kinderläden, französische Schulen usw.
„Die 68er akzeptieren nicht, dass die Kinder ihr eigenes Ding machen“, sagt Karsunke, Sohn des Lyrikers Yaak Karsunke. Er hat einen Weinladen in München. Man kann beim Weinkauf intelligente Gespräche erwarten, politische sogar. Seine Mutter ist von Karsunke enttäuscht. Sein Ding ist: „Ich kann mich nur um mich und meine Familie kümmern.“ Sein Vater hat sich übrigens einen Dreck um ihn gekümmert. Hatte anderes zu tun.
Der Musiker Ted Gaier will übrigens gar keinen Millionenvertrag. Ein Missverständnis. Die Goldenen Zitronen sind eine politische Band. Gaier geht für den Protest auf die Straße, er spricht von der „Kontinuität des antikapitalistischen Widerstands“. Aber mit dieser „ganzen Nostalgie hier“ kann er nichts anfangen. Am Ende von „Die innere Sicherheit“ sind die vom Staat gejagten Eltern in die Luft gesprengt. Es bleibt dabei, sagt Christian Petzold: Der „Staat ist „unheimlich“. Aber die wahre Moral der Geschichte ist, dass die Tochter befreit ist aus der Vergangenheit, in der die Eltern lebten. PETER UNFRIED
Zumindest der Diskussionsverlauf „Die Kinder der 68er“ mit der Meinhof-Tochter Bettina Röhl (Foto) wurde den Ansprüchen der Vergangenheit annähernd gerecht. Wir dokumentieren:
Gaier (zu Röhl): Du betreibst doch die Boris- und Babsisierung der 68er.
Röhl (zu Gaier): Du bist doch jemand,der sich nur wichtig machen will.
Gaier: Mir ist doch scheißegal, ob Fischer ein charakterliches Schwein ist oder nicht. (Tumulte)
Frau im Publikum (erregt): Der Name Fischer tut hier nichts zur Sache.
Mann im Publikum: Den hat doch die Frau Röhl reingebracht.
Frau i. P. zu Mann i. P.: Ich habe dich gesehen. Wir sprechen uns draußen!
Aktivist Chr. Specht: Ich fordere den Rücktritt von Innensenator Werthebach. Ich bin tierisch sauer. (Applaus)
Karsunke: Boris und Babs wären nicht möglich gewesen ohne 1968.
(allgemeines Unverständnis)
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