: Offiziere machen Druck
Die Bundeswehr brauche mehr Geld. Sonst könne sie ihre Aufgaben nicht mehr wie vorgesehen erfüllen, behaupten führende Offiziere der Bundeswehr. Ein zweiter Einsatz wie derzeit auf dem Balkan sei nicht zu leisten. Scharpings Lage wird prekär
von BETTINA GAUS
Führende Militärs der Bundeswehr schlagen erneut Alarm. Sie beklagen, es sei unmöglich gewesen, den Bundeswehrplan 2002 „so frühzeitig aufzustellen, wie das notwendig gewesen wäre“, weil die Finanzierung nach wie vor nicht sichergestellt sei. Wenn die Aufgaben unverändert blieben, aber mit weniger Personal und unmoderner Ausrüstung erfüllt werden müssten, dann drohe ein „Glaubwürdigkeitsdefizit“.
Ungeachtet dieser Klagen gibt es jedoch keine Anzeichen dafür, dass Finanzminister Hans Eichel bereit ist, den Verteidigungsetat aufzustocken. Die Situation von Verteidigungsminister Rudolf Scharping wird zunehmend prekär. Die Reform der Streitkräfte ist teuer, und Geld wird auch für die neuen Aufgaben gebraucht, auf die sich sowohl die Nato als auch die EU geeinigt haben. Gegenwärtig sei die Bundeswehr beispielsweise nicht in der Lage, sich an einer zweiten Operation wie der auf dem Balkan zu beteiligen, sagte jetzt ein hoher Offizier. EU-Vereinbarungen zufolge müsse diese Fähigkeit jedoch bis zum Jahre 2003 aufgebaut sein: „Wenn die Aufgaben verändert werden, dann habe ich als Soldat das nicht zu kritisieren.“ Das sei eine politische Entscheidung. Um Streitkräfte auf einem zeigemäßen Stand zu halten, müssten rund 30 Prozent des Etats für Materialinvestitionen zur Verfügung stehen. Nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium liegt der Anteil gegenwärtig bei rund 25 Prozent. Eine „moderate Anhebung“ in Teilschritten sei notwendig – aber keineswegs gesichert: Bevor an Neuinvestitionen gedacht werden könne, müssten schließlich Personalkosten und die Finanzierung des laufenden Betriebes sichergestellt sein. Der Bundeswehrplan 2002 soll jetzt „parallel“ zu den Haushaltsberatungen erarbeitet werden.
Im Verteidigungsministerium wird betont, die Prognose über die finanzielle Austattung sei dieses Mal besonders schwierig. Geplante Veränderungen der Infrastruktur kosteten Geld, aber bislang stehe nicht einmal fest, in welcher Höhe zu erwartende Veräußerungsgewinne aus Liegenschaften zur Verfügung stehen werden. Offiziere haben jetzt erneut vor der Vorstellung gewarnt, die einmal eingeleitete Reform könne noch angehalten oder ausgesetzt werden. Es sei völlig unmöglich, zu den alten Strukturen zurückzukehren. Und wenn das Geld dann trotzdem nicht reicht: Was stirbt als Erstes? „Als erstes stirbt die Konzeption“, sagt ein hochrangiger Militär.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen