Kommentar: Gefährlicher Trend
■ Warum die moderne Tarifflucht für die Gewerkschaften ein Problem werden kann
Es ist eine neue Masche: Firmen wollen ihren Unternehmerverband verlassen, um sich dem Branchentarifvertrag zu entziehen. Dafür erklären sie sich bereit, sich freiwillig dem Tarifgefüge einer anderen Branche zu unterwerfen. Für die Gewerkschaften ein gefährlicher neuer Trend.
Tarifflucht als solches ist nicht neu. Früher verließen Firmen oder sogar ganze Bereiche eine Branche – wie im Einzelhandel vor eingen Jahren geschehen, um sich den Tarifnormen zu entziehen und bei VerkäuferInnen ein paar Mark an Lohnkosten zu sparen. Oftmals hat sich dieser Schritt nicht bewährt. Schnell konnten solche Firmen durch Streiks für Haustarifverträgen zu den alten Konditionen verdonnert werden – oder sie kehrten reumütig in den Schoß des Verbandes zurück.
Die neue Stragegie könnte indes für die Gewerkschaften gefährlich werden. Die Unternehmen lehnen ja nicht katagorisch Tarifbindung ab. Nur mit wem sie einen Vertrag schließen, möchten sie gern selbst entscheiden. Und das könnte schnell zu Konkurrenz oder Rivalität unter den Gewerkschaften führen. Schon heute ist es in vielen Industrien, wie in Elektronik-Branche, unklar, welche Gewerkschaft eigentlich originär zuständig ist. Und auch der technische Wandel läßt traditionelle Erbhöfe schwinden. Derartigen Entwicklungen muss unverzüglich ein Riegel vorgeschoben werden. Sonst könnte es schnell mal passieren, dass ein Gewerkschaftsfürst vom Mitgliederzuwachs durch unternehmerischen Branchenwechel allzu angetan ist.
Magda Schneider
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