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Lambsdorff nur noch ein Lobbyist?

US-Richterin Kram stellt klar: Abweisung der letzten großen Sammelklage gegen deutsche Banken erfolgte ohne Bedingungen. Vertreter der Zwangsarbeiter glaubt an eine „gezielte Desinformation“ durch den Kanzlerbeauftragten Otto Graf Lambsdorff

von NICOLE MASCHLER

Es ist nicht das erste Mal, dass sich US-Richterin Shirley Kram missverstanden fühlt. Sie habe nur die Interessen der Zwangsarbeiter im Auge, hatte sie die zweimalige Nichtabweisung der letzten großen Sammelklage gegen deutsche Banken in den vergangenen Monaten begründet.

Nun fühlt sie sich wieder falsch interpretiert: Sie habe die letztlich doch erfolgte Abweisung der Klage am vergangenen Donnerstag mitnichten an Bedingungen geknüpft, ließ die Richterin am Dienstag über ihren Anwalt David Boies ausrichten. Vielmehr sei die Entscheidung in Deutschland falsch aufgenommen worden – so soll es Boies gegenüber Lothar Evers vom Bundesverband Information und Beratung NS-Verfolgter dargestellt haben.

Der strittige Passus in der Urteilsbegründung sei nur eine Vorbemerkung der Richterin gewesen, sagte Evers. Das eigentliche Urteil beginne erst ein paar Sätze später – und dort sei von Bedingungen, etwa von der Aufnahme der Ansprüche österreichischer Opfer ins deutsche Stiftungsrecht, nicht die Rede. Evers sieht eine „gezielte Desinformation“ durch den Kanzlerbeauftragten Otto Graf Lambsdorff. Dieser habe sich von der Stiftungsinitiative der Wirtschaft einschüchtern lassen.

Mit der Entscheidung in New York war die Entschädigung in greifbare Nähe gerückt. Selbst Kanzler Schröder sah den Weg für die Zahlungen frei: Hundertprozentige Rechtssicherheit „wird man nie kriegen“. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse ging noch weiter: Notfalls müsse das Stiftungsgesetz geändert werden. Der Bund könne dann bereits seinen Beitrag freigeben.

Doch das Finanzministerium fürchtet, dass der Bund dann alleine auf den zehn Milliarden Mark Entschädigung sitzen bleibt. Der Sprecher der Stiftungsinitiative, Wolfgang Gibowski, scheute sich nicht, laut darüber nachzudenken, dass die Firmen bei einem Scheitern des Projekts ihr Geld zurückfordern könnten. „Der Bund ist einfach erpressbar“, glaubt Evers.

Lambsdorff betonte am Wochenende immer wieder, dass Krams Bedingungen auch für die Regierung unannehmbar seien – und machte sich damit die Sichtweise der Wirtschaft zu Eigen. Diese setzt auf die Berufung in Sachen Kram, die seit Montag in New York läuft. Die Stiftungsinitiative wolle das Verfahren hinauszögern, glaubt Evers. Es sei für sie „ein Schutzschild“ – gegen eine Auszahlung. Nach der Drohung der Wirtschaft machte auch der Kanzler flugs einen Schritt zurück: Eine Gesetzesänderung werde es nicht geben. Die Regierung hofft weiter auf eine einvernehmliche Lösung.

Im Bundestag herrscht Ratlosigkeit. Für gestern Abend war ein Gespräch zwischen den Berichterstattern der Fraktionen sowie der Rechtsarbeitsgruppe der Stiftungsinitiative angesetzt. Dort wollten die Abgeordneten noch einmal versuchen, sich mit der Wirtschaft ins Benehmen zu setzen. SPD und Grüne haben sich darauf verständigt, noch bis Ende des Monats abzuwarten und erst dann über eine Gesetzesänderung zu entscheiden.

„Die Union hat sich absentiert“, so der Grüne Volker Beck gestern zur taz. Zwar hatte auch Fraktionsvize Wolfgang Bosbach von einem raschen Beginn der Entschädigung gesprochen – unter der Voraussetzung, dass das Stiftungsgesetz geändert würde. Aber, so Beck, davon sei bei einem Treffen am Dienstag keine Rede mehr gewesen. Noch warten die Abgeordneten offenbar auf ein Signal von Lambsdorff. Dabei, so sein Sprecher, sei mitnichten ein Brief des Beauftragten für die Parlamentsentscheidung nötig. „Der Bundestag ist souverän.“ Doch mit der Wirtschaft will es sich keiner verderben.

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