: Ganz weit weg von der Wirklichkeit
Regierungsvertreter aus Europa und Zentralasien treffen sich bis morgen in Berlin, um sich der Rechte der Kinder anzunehmen
BERLIN taz ■ „Unsere Welt ist ganz weit von unseren Träumen entfernt.“ Das ist eine erschreckende Bilanz von 51 Jugendlichen aus 25 Ländern Europas und Zentralasiens. In einem offenen Brief, den sie Ende April in Budapest verfasst hatten, wenden sie sich an die Teilnehmer der internationalen Konferenz „Kinder in Europa und Zentralasien“, die seit gestern in Berlin stattfindet.
Doch das ist nicht der einzige Tiefschlag aus Pimpfhöhe, den die Regierungsvertreter aus 53 Staaten in Berlin verdauen mussten: Weniger als ein Drittel der 9- bis 17-Jährigen hat Vertrauen in ihre Regierung. Das ergab eine Umfrage der UN-Kinderhilfsorganisation Unicef unter 15.200 Kindern und Jugendlichen aus 35 Staaten Europas und Zentralasiens. Nur vier Prozent sind der Meinung, dass Wahlen etwas verändern können. Ganz so negativ sehen das die 400 befragten deutschen Kinder allerdings nicht – knapp die Hälfte glaubt hier an Einflussmöglichkeiten durch die Stimmabgabe.
Nicht nur das Vertrauen in die Politik, auch das tägliche Leben der Kinder, ihre Ängste und Erwartungen wurden in der Umfrage erfasst. Auf Basis der Ergebnisse und der wirtschaftlichen Lage der Staaten wollen sich die erwachsenen Politiker den Problemen der Kinder annehmen. „Letztlich geht es um die Einführung des Prinzips Nachhaltigkeit in alle Bereiche von Politik und Gesellschaft“ – diese Feststellung von Bundesaußenminister Joschka Fischer zur Eröffnung der Konferenz ist altbekannt. Trotzdem ist die Lage der Kinder Besorgnis erregend: Selbst im reichen Deutschland sagten neun Prozent der Kinder, dass sie sich über die finanzielle Situation ihrer Eltern Sorgen machten.
Mit dem „Berlin Commitment“ soll all das in Europa und Zentralasien besser werden: Die Abschlusserklärung soll konkrete Ziele für eine kinderfreundliche Politik im nächsten Jahrzehnt enthalten und ein vorbereitendes Dokument für den zweiten Weltkindergipfel der UNO im September in New York sein. Die Frage ist nur, ob sich die Regierungen in der Tagespolitik dann auch wirklich an ihre hehren Ziele halten. So sind der deutschen Regierung andere Gesetze immer noch wichtiger als die Umsetzung der von ihr mit unterschriebenen Kinderrechtskonvention von 1989. Und auch Anke Fuchs, Beauftragte der Bundesregierung für die Vorbereitung des Weltkindergipfels, muss zugeben, dass da etwas nicht stimmen kann, wenn 16-jährige Flüchtlinge in Deutschland vom Gesetz als Erwachsene angesehen werden: „Da werden wir noch viel bohren müssen, damit sich etwas ändert.“
Wie wär’s mit Zusammenarbeit mit den Betroffenen? Immerhin zwei Drittel der befragten Kinder in Deutschland würden gern an lokalen Entscheidungen beteiligt werden. Auch die jungen Verfasser des offenen Briefes hätten nichts dagegen: „Wir sind die Gegenwart. Lasst uns von heute an endlich zusammenarbeiten!“ ULRIKE KLODE
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