DIE ESKALATION IN NAHOST LÄSST SICH NUR DURCH BLAUHELME STOPPEN
: Rache macht blind

Rache ist süß, heißt es. Das ist gelogen. Meistens ist sie es nicht. Ganz gleich, wie viele Kampfflugzeuge Scharon über die Palästinenser schickt – die israelischen Toten von Netanja stehen nicht wieder auf. Rache kann nur eins: Unrecht perpetuieren und vergrößern.

Nachdem Scharon wegen eines Selbstmordattentäters Rache an einer ganzen Stadt genommen hat, haben nun Palästinenser Rache geschworen. Jeder Selbstmordattentäter wird versuchen, seine Vorgänger an Toten zu übertrumpfen. Und nach jedem Selbstmordattentat wird Scharon versuchen, noch härter zuzuschlagen. Der immer gleiche Effekt: Die Toten bleiben tot. Und nach jedem Rachefeldzug sind neue Rächer an der Reihe.

Das mag wohl auch Scharon aufgegangen sein, und wenn er nun um Hilfe bei der US-Regierung bittet, so vielleicht, weil er den nächsten Schlag der Palästinenser fürchtet. Rache ist allenfalls dann süß, wenn man mit keinen Gegenschlägen zu rechnen hat.

Auch die Empfehlung der arabischen Außenminister, die politischen Beziehungen zu Israel einzufrieren, ist eine Form von Rache, wenn auch keine tödliche. Sie löst kein Problem, im Gegenteil, sie blockiert nur. „Mit wem wollen die arabischen Regierungen denn reden, wenn nicht mit uns?“, hat Scharons Sprecher rhetorisch gefragt. Damit hatte er ausnahmsweise Recht.

Bei lang andauernder Blutrache werden in heutiger Zeit manchmal Verhandlungen zwischen den verfehdeten Parteien geführt. Dann kann man sich manchmal auf Ausgleichszahlungen einigen. Oder auf öffentliche Schuldbekenntnisse. Der Mitchell-Bericht war so etwas wie ein Ausgangspunkt für solche Verhandlungen.

Doch während der Mitchell-Bericht erstellt wurde, haben die beiden Seiten weiterhin aneinander Rache geübt. Vielleicht bleibt deshalb jetzt nur noch eines, um diese Rachespirale zu unterbrechen: die beiden Parteien zu trennen. Durch eine internationale Friedenstruppe. Und sei es nur, um zu verhindern, dass Scharon in seiner blinden Wut irgendwann zur Atombombe greift. ANTJE BAUER