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kanzlerkandidatenfähigStoiber ist längst Niedersachse

Die stärksten Unterstützer hat Edmund Stoiber zurzeit in der SPD. Daran hat auch sein gestriger Auftritt in der Unionsfraktion im Bundestag nichts geändert. Mehr als manche Christdemokraten hoffen die Sozialdemokraten, dass Stoiber und nicht Angela Merkel im Jahr 2002 Gerhard Schröder herausfordert.

Ein Bayer an der Spitze der Union – das weckt bei den Genossen die süße Erinnerung an Franz Josef Strauß’ desaströse Kanzlerkandidatur 1980. Seitdem gilt in der deutschen Politik der Glaubenssatz: Bayern sind Freaks, Freaks polarisieren die Republik und deshalb wächst eher in Alaska eine Ananas, als dass ein Bayer Kanzler wird. Dem liegt freilich der weit verbreitete Trugschluss zugrunde, dass der CSU-Chef Bayer sei. Nur: Stoiber ist längst Niedersachse.

Kommentarvon PATRIK SCHWARZ

Im Geiste hat der Ministerpräsident sein Heimatland bereits transzendiert. So erfolgreich wie kein Politiker seit dem Niedersachsen Gerhard Schröder hat er alles hinter sich gelassen, was ihn auf dem Weg ins Kanzleramt belasten könnte – und dafür sogar seine Heimat umgemodelt. Unter Franz Josef Strauß war Bayern der Märchenpark Wolfratshausen, heute ist es Phantasialand. Aus der zwergisch-verträumten Idylle mit ein paar bösen Wölfen im Unterholz ist eine blinkende, summende Effizienzmaschine geworden.

Auch der Kandidat selbst hat mit dem Pop-Image des Bayern als wilder Wurz nichts mehr gemein. So muss man viel länger suchen, als man denkt, um Stoiber radikal rechte Ausfälle anzuhängen. Mag er vor Jahren vor einer „durchrassten Gesellschaft“ gewarnt haben, jetzt hat er beim Asylrecht die Debatte um eine Grundgesetzänderung weit früher abgebrochen, als von Rot-Grün vermutet. Mag er in der Atomkraft auf Technikwahn gesetzt haben, in der Gen-Debatte liegt er heute auf einer Linie mit den Grünen – und dem Mainstream der Gesellschaft. Und was er in Interviews über Erziehung verbreitet, klingt sanft im Vergleich mit Doris Schröder-Köpf.

Stoiber ist Schröders größte Gefahr, weil sie sich so ähnlich sind. Beide haben als Ministerpräsidenten ihre radikale Vergangenheit gegen ein Macher-Image eingetauscht. Beide erreichen Wähler, die Ergebnisse wollen statt Ideologien. Dem rechten Rand bleibt zu Edmund Stoiber keine Alternative. Die konservativen Stimmen sind ihm sicher. Schröders neue Mitte dagegen ließe sich abspenstig machen. Der Slogan dafür ist bekannt: Wir wollen nicht alles anders machen, aber vieles besser.

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