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Sanktionen gegen Israel gefordert

Deutsche Wissenschaftler fordern im „Friedensgutachten“ härteren Kurs der EU gegen Israels Siedlungspolitik. Die Regierung in Jerusalem sei „nicht immun gegen wirtschaftlichen Druck“. Kritik auch an Schröders Haltung zum US-Raketenabwehrschirm

von WOLFGANG GAST

Die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute fordern im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt auch wirtschaftliche Sanktionen gegen Israel. Zwar könne eine Friedensbereitschaft von außen nicht erzwungen werden, heißt es im gestern vorgestellten „Friedensgutachten 2001“. Da Israel aber rund 40 Prozent seines Außenhandels mit der EU abwickle, sei es „nicht immun gegen wirtschaftlichen Druck“.

Erstmals haben die unabhängigen Friedensforscher die Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern in den Mittelpunkt ihres jährlich erscheinenden Berichtes gestellt. Während die deutsche Außenpolitik sich mit Blick auf das besondere Verhältnis zwischen Israel und Deutschland mit Stellungnahmen weit gehend zurückhält, finden die Forschungsinstitute klare Worte. So wird der israelische Staat aufgefordert, „die 1967 begonnene völkerrechtswidrige Praxis territorialer Ausdehnung einzustellen und über die Zukunft der [jüdischen] Siedlungen ernsthaft zu verhandeln“. Ein Ende der israelischen Landnahme in den palästinensischen Gebieten, schreiben die Autoren, würde „ein zentrales Hindernis für eine Zivilisierung des Konfliktaustrages beseitigen“.

Die historische Schuld, die das deutsche Volk gegenüber den Juden auf sich geladen habe, mache Sanktionen gegenüber Israel „zu einem heiklen Thema“, schreiben die Friedensforscher aus Hessen, Hamburg, Heidelberg, Bonn und Duisburg. Dennoch „sollte es kein Tabu sein, Druck auf Israel auszuüben, damit es wieder vom Kriegs- auf den Friedenskurs umschwenkt“. Die EU habe ohnehin längst dadurch Partei ergriffen, „dass sie die palästinensische Autorität durch finanzielle Hilfe beim Staatsaufbau befähigt hat, den Konflikt mit Israel bis heute durchzustehen, ohne bankrott zu gehen“. Folgerichtig wäre daher ein Aussetzen der von der EU seit 1995 gewährten Zollpräferenzen, solange Israel seine Siedlungsaktivitäten fortsetze.

Den Palästinensern legt die Studie mehr „demokratische Teilhabe und Rechtsstaatlichkeit“ nahe. Der palästinensischen Autonomiebehörde sei „zuzumuten, auf die Instrumentalisierung militanter Kräfte zu verzichten“.

Breiten Raum nehmen in den Gutachten auch die Pläne der USA zum Aufbau eines Raketenabwehrschirms ein. Das Projekt enthalte „viele Verlockungen“, etwa den Schutz vor den Folgen nuklearer Proliferation oder Sicherheit vor so genannten Schurken- oder Risikostaaten. Allerdings werde die technische Machbarkeit von Experten ernsthaft in Frage gestellt, auch könnten die Kosten buchstäblich astronomisch werden. Die Autoren des Gutachtens kritisieren die Haltung von Bundeskanzler Schröder, der sich von einer Beteiligung Deutschlands an den US-Plänen einen Technologietransfer in die Bundesrepublik erhofft. Eine solche Erwartung ignoriere die Erfahrungen aus dem früheren Star-War-Programm und die „mageren Erträge“ der damaligen Kooperation mit den USA. Stattdessen verdiene die Gefahr einer Militarisierung von Forschungsressourcen im großen Stil mehr Aufmerksamkeit. Ein alliiertes Raketenabwehrsystem „könnte die Gefahren, die es beschwört, erst schaffen“.

Die Wissenschaftler kritisieren auch die Reform der Bundeswehr. Die Bundesregierung verfüge über kein „realitätskonformes sicherheitspolitisches Lagebild“. Mit geplanten 285.000 Soldaten liege die Größe der Bundeswehr weit über der Empfehlung der Weizsäcker-Kommission, die sich mit 240.000 begnügen wollte. Für eine solche Armee gebe es „keinen sicherheitspolitisch adäquaten Auftrag“.

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