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Von Gays verschmäht

■ Oldenburger CSD ohne OB Poeschel

Wie Menschen sich ändern können. Ist doch immer wieder faszinierend. Diesmal ist es Oldenburgs Oberbürgermeister Jürgen Poeschel, der beeindruckende Wandlungen durchgemacht hat. Im letzten Jahr, überhaupt in allen Jahren zuvor, verweigerte der Christdemokrat konstant und felsenfest die Begrüßung der Schwulen und Lesben zum alljährlichen Christopher Street Day. Tja, und im Jahr 2000 lief einiges schief bei Poeschels bis dato kontinuierlicher CSD-Vermeidung. Am selben Tag stand in Oldenburg der Antrittsbesuch der Grünkohlkönigin an – der wichtigs-ten Person gleich nach dem OB. Im Jahr 2000 war das EU-Haushaltskommissarin Michele Schreyer, Mitglied der grünen Partei. Weil die Oldenburger Grünen den CSD aber ganz besonders featuren, war schnell abgemacht, dass Monarchin Michele in einem der wummernden Dezibeltransporter mitführe. Tat sie auch. Bis vors Rathaus. Wo Poeschel sie empfangen sollte. Tat der aber nicht. Er wartete drinnen, Königin Schreyer ging mit buntem Gefolge ins Rathaus, ließ sich begrüßen und wies den OB auf das lautlustige Ereignis vor seiner Tür hin. Muss peinlich gewesen sein für Poeschel.

Diesmal ist alles anders. Jetzt hat der Stadtvater die Jungs und Mädels vom anderen Ufer für sich entdeckt. Hat ihnen nicht nur den – jedes Jahr aufs Neue eingeforderten und stets abgelehnten – Rathausempfang angeboten, sondern will auch bei der CSD-Abschlusskundgebung am Samstag, 23. Juni, auf dem Schlossplatz der Community huldvolle Worte mitteilen.

Das wird wohl nix. Die doofen Homos wollen nämlich nicht mehr. Finden sie den Termin der Kommunalwahl im September doch allzu nah, als dass sie hinter des Stadtvaters frisch entdeckter Toleranz nur die reine Nächsten- statt der reinen Wählerliebe entdecken würden. „Das haben wir nicht nötig“, sagt Meike Wengler von Oldenburger Lesben- und Schwulenzentrum LuST, „wir lassen uns nicht für Wahlkampfaktionen missbrauchen.“ Da kommen sie lieber auf die Zweite Bürgermeisterin, die Grüne Hiltrud Neidhardt, zurück. „Sie hat uns immer in jeder Form unterstützt.“

Und Jürgen Poeschel? Steht hinter der Rathaustür, und zum „New York City Boy“ wiegt er sich ganz, ganz sachte mit. sgi

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