Gröpelinger Euro

■ Das Gebiet zwischen Lichthaus und Ohlenhof gilt jetzt als europaweites Modellprojekt. Viel Fördergeld machte das möglich – eine Bilanz

Das Pflaster bricht auf vor dem neuen Torhaus an der Gröpelinger Lindenhofstraße. Wie ein Maulwurf ist ein quietschegelbes Untersee-Boot aus dem Boden gebrochen und hebt ab in Richtung Space Park. So stellt sich der Bremer Künstler Tom Diekmann anno 2001 Kunst im öffentlichen Raum vor. Und genauso soll sein gerade mit dem 1. Preis eines Kunstwettbewerbs belohntes, etwa vier Meter langes „Subspaceship“ noch in diesem Jahr schräg gegenüber von Norddeutschlands größter Baustelle errichtet werden.

In Gröpelingen tut sich was, würden Werbetexter texten. Da reichen Bremer KünstlerInnen nicht bloß 38 größtenteils altbackene und kleinstenteils originelle Beiträge zur künstlerischen Stadtmöblierung ein. Nein, in dem von 35.000 EinwohnerInnen bevölkerten Stadtteil wird auch und vor allem viel Geld verbaut oder in Menschen investiert. 612 Euro (rund 1.200 Mark) pro Kopf sind seit 1995 im Sanierungsgebiet zwischen Lichthaus und Ohlenhof ausgegeben worden, sagt Rudolf Niessler, Abteilungsleiter des Programms „Urban und städtepolitische Maßnahmen“ der EU-Kommission. Die EU lässt sich den zum Vorzeigeprojekt gewordenen Sanierungsfall acht Millionen Euro aus dem Urban-Programm kosten, Bremen legt dafür den gleichen Betrag drauf. Hinzu kommen als noch größerer Batzen 25 Millionen Bremer Euro als flankierende Maßnahme wegen des Space-Park-Baus. Bei so viel Geld muss sich ja auch etwas tun, in Gröpelingen.

„Ohne Europa läuft in der Regionalpolitik überhaupt nichts mehr“, sagte Klaus-Wilhelm Timm, Abteilungsleiter beim Wirtschaftssenator, gestern bei einer Tagung im Lichthaus. In der bis heute andauernden Veranstaltung ziehen ReferentInnen aus mehreren EU-Ländern kurz vor Ende der Urban-Förderung für Gröpelingen Bilanz zum Thema „Kultur und wirtschaftliche Enwicklungen in benachteiligten Stadtteilen“. „Die EU sollte mehr Geld in Kunst statt in Disney-Lands investieren“, rief der Belgier Huib Riethof vom Podium. Aber das hörte Herr Timm nicht mehr.

„Hinter Urban steckt eine zündende Idee“, berichtet Rudolf Niessler: „Wir machen das mit den Leuten vor Ort.“ Und vor Ort war nicht nur der gleichnamige Kulturverein, sondern auch die Bremische Gesellschaft für Stadterneuerung (Bremische) als Sanierungsträger. Weil mehr und mehr GröpelingerInnen bei den Sanierungsprojekten mitgeredet haben, sind zahllose Initiativen aus dem Boden geschossen. Und – sozusagen auf Hardware-Seite – leuchten die gelben Euro-Sterne auf blauem Grund jetzt am Lichthaus, an der neuen Stadtbibliothek West oder an der renovierten Lindenhofstraße. Niessler begründet den Bremer Modellfall: „In Gröpelingen wird technologische Entwicklung mit Stadtsanierung gekoppelt.“ Das will die EU-Kommission: Strukturpolitik soll Städte als Wachstumslokomotiven fördern, die soziale Ausgrenzung stoppen, die städtische Umwelt schützen und die Selbstverwaltung stärken. Wegen des auch vom Europäischen Rechnungshof bestätigten Urban-Erfolgs ist die Stadtentwicklung seit vergangenem Jahr auch förderungswürdig im erheblich größeren Ziel-2-Programm.

Im Zeitraum zwischen 1989 und 2006 erhielt und erhält das Bundesland Bremen rund 500 Millionen Euro. Die acht Millionen Euro für Gröpelingen sind da nur ein kleiner Teil. Der Geschäftsführer der Bremischen, Dieter Cordes, hält trotzdem viel von der Europäisierung der Strukturförderung: „In Europa gibt es Städte mit viel größeren Strukturproblemen, doch aus diesen Städten kommen auch viele Ideen zur Lösung.“

In den nächsten Jahren soll Bremerhaven als eines von zwölf neuen Urban-Projekten in Deutschland in den Genuss dieser Förderung kommen. Was nach 2006, also mit Beginn der geplanten Ost-Erweiterung der EU geschieht, ist noch völlig offen und nicht nur in den großen Empfängerländern Spanien und Irland umstritten. Klar ist nur, dass die osteuropäischen Länder einen Riesenbedarf haben. „Die Diskussion über die Maßstäbe ist eröffnet“, sagt der Österreicher Niessler knapp. ck

Am Samstag, 16. Juni, hat der Verein Kultur vor Ort zusammen mit anderen Veranstaltern ein Sommerfest organisiert. Von 12 bis 24 Uhr finden auf drei Bühnen rund um den Bibliotheksplatz an der Lindenhofstraße Konzerte, Kinderprogramm, Theater- und Sportvorführungen statt. Einer der Höhepunkte ist das „Living Museum“, in dem die Geschichte und Zukunft des Stadtteils mit Theatermitteln dargestellt wird. Tom Diekmanns mit 5.000 Mark preisgekrönter Entwurf des U-Boots sowie die anderen Einreichungen zum Kunst-Wettbewerb sind bis Samstag von 10 bis 18 Uhr im Haus „Kultur vor Ort“, Liegnitzstraße 63, zu sehen. Den zweiten und dritten Preis haben Anke Sander und Eberhard Szejstecki gewonnen.