piwik no script img

Hooligans gegen rechts

■ Hooligans = Neonazis, die Rechnung gilt nicht unbedingt. Das Spektrum ist differenziert, Ausgrenzung nicht immer angesagt

Klaus Farin ist Journalist in Berlin. Er hat dort das „Archiv der Jugendkulturen“ gegründet. Seit Mitte der Achtzigerjahre veröffentlichte er eine Reihe von Büchern zum Thema „Jugend und Gewalt“. Vorgestern diskutierte Farin mit Bremer Fans über rechte Einstellungen im Stadion.

taz: Driften die Fußball-Fans nach rechts?

Klaus Farin: Nein. Laut Polizeistatistik hat sich die Hooligan-Szene um ein Drittel auf 3.200 Leute reduziert. Davon gehört rund ein Drittel auch der rechten Szene an. In allen Stadien gibt es auch Rechtsradikale und eine Menge Menschen, die rassistisch denken. Schließlich sind die Fans repräsentativ für die Gesamtgesellschaft und daraus noch mal verschärft der Ausschnitt „junge Männer“.

Im Weserstadion wurde vor einem Jahr eine Zunahme rassistischer Sprüche festgestellt. Ist das ein Bundestrend?

Ich höre immer unterschiedliche Erkenntnisse aus verschiedenen Stadien. Viel hängt davon ab, wie man damit umgeht. Wenn es ignoriert wird, machen die Betreffenden immer weiter oder sezten noch einen drauf, um überhaupt registriert zu werden. Wenn ein Verein oder Fanprojekt sensibel reagiert und früh eingreift, kann man durchaus Erfolge sehen – etwa durch Gespräche; durch den Versuch, eine Stimmung zu erzeugen, die gegen Rassismus ist.

Was können die Vereine da wirklich leisten?

Sie können Denkanstöße geben; deutlich machen: Wir wollen das nicht, und es gibt Menschen, die anders denken. Viele Leute in dieser Szene erfahren ja nie Widerspruch. Wenn Jugendliche merken, dass die Leute mit den rassistischen Sprüchen die Coolen sind, die Kings, denen keiner widerspricht, dann halte ich das für gefährlich. Da ist es nötig, dass andere sagen: Stopp!

Fast alle Stadionordnungen sehen mittlerweile Stadionverbot für rassistische Äußerungen vor. Das wird zumindest in Bremen nicht durchgesetzt.

Das halte ich auch für richtig. Ausgrenzung heißt ja immer auch: Ich bin nicht verantwortlich und die Leute sollen sich bitte woanders aufhalten.

Es bedeutet aber auch: So cool sind die Jungs dann doch wieder nicht – sie können keinen Fußball mehr sehen.

Aber es ist eine pädagogische Ohnmachtserklärung, das Problem durch Ausgrenzung zu lösen. Man sollte lieber den Streit suchen – zumindest solange keine rechtsradikale Propaganda verteilt wird.

Gibt es heute wieder Rekrutierungsversuche rechtsradikaler Organisationen im Stadion?

Die hat es immer gegeben. Aber mengenmäßig mit geringem Erfolg – häufig halten interessanterweise nicht einmal jene Fans was von rechten Parteien, die genauso denken. Sie merken, dass sie miss-braucht werden. In den Neunzigerjahren haben sogar mal rechte HSV-Fans Neonazis verprügelt, die im Stadion zu Hitlers Geburtstag aufmarschiert sind.

Warum ist Fußball für junge Rechte so attraktiv?

Weil Fußball ein Männersport ist. Da ist der Chauvinismus nicht fern. Gewalt ist ja schon im Spiel angelegt. Gerade Vereine wie Werder Bremen drängen allerdings verstärkt darauf, dass es eigentlich ein Familiensport, ein Mittelschichtsport ist.

Sie warnen davor, Jugendkulturen wir Ultras, Hooligans und Skinheads pauschal als rechtsradikal zu diffamieren. Haben die Fans ein Imageproblem?

Ja – Erwachsene wollen meist die Differenziertheit von Jugendkulturen nicht wahrnehmen und stigmatisieren gern.

Warum distanziert sich die Mehrheit nicht offensiv von den Nazis?

Das machen ja viele. Auch bei Werder Bremen gibt es „Hooligans gegen Rechts“-Aufnäher zu bewundern. Aber andererseits sagen sich viele Jugendliche: Warum soll ich mich politisch plakativ äußern, nur weil viele die Bild-Zeitungs-Vorurteile im Kopf haben – oder die taz-Vorurteile. Es sind schließlich Vorurteile der Erwachsenen.

Den Bremer Ultras, der „Eastside“, ist es offensichtlich unangenehm, für rechts gehalten zu werden – warum definieren sie sich mit dem in Italien oder Spanien seit Jahren rechts besetzten Begriff „Ultras“?

Das ist das, was die Medien aufgreifen. In Wirklichkeit steht Ultras weniger für rechts als für eine neue Inszenierung im Fußball. Für eine offensive, spannungsgeladene, fast Theater-Inszenierung. Im Mittelpunkt steht die körperliche Selbstinszenierung, die Fans werden aus dem reinen Konsumentenstatus wieder zu aktiven Fans.

Fragen: Jan Kahlcke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen